Rezension von Freitag


Rezension

Frieses Freitag
Am Montag Mon, am Dienstag Dienst, am Mittwoch Mitte der Woche, am Donnerstag Donner und am Freitag frei! All dies muss in Paul Maars bekanntem wie beliebtem Kinderbuch "Das Sams" erfüllt sein, damit das schweinenasige Wunschfrei-Sams erscheint. Friedemann Friese steht wohl nicht auf das Sams, denn freitags steht statt "frei“ seit fast zweihundert Wochen sein Freitagsprojekt auf seinem Terminkalender. Nach "Der schwarze Freitag" ist "Freitag" das zweite Spiel aus dieser Reihe Spiele, dessen Geburt öffentlich vor aller Augen im Internet verfolgt werden konnte. Die "Romanverspielung" lehnt sich an die Robinsonade an, die 1719 erschien und als der erste englische Roman gilt. Wir schlüpfen in die Rolle der Romanfigur Freitag und trainieren Daniel Defoes Robinson Crusoe, damit dieser wieder von unserer geliebten Insel verschwinden kann und wir wieder unsere Ruhe haben. "Wir“ meint hier: Der Spieler oder die Spielerin, denn "Freitag" ist ein Einpersonenspiel – oder wie das Cover verspricht: "Ein Solo- Abenteuer"!

Spiel-Vorbereitungen
Wir mischen den Gefahrenkartenstapel, legen 18 der insgesamt 20 Lebenspunkte bereit, mischen die Tollpatschkarten, wobei wir die drei mit dem weißen Kopf gesondert mischen und unter den Stapel legen, und mischen außerdem die Robinson-Karten. Verdeckt ziehen wir zwei der Piratenschiffkarten und legen sie sichtbar aus.

Spielablauf
Wir versuchen Robinsons Fitness soweit auf Vordermann zu bringen, dass diese in so guter Verfassung ist, dass er nach drei Runden gegen die Piraten gewinnen und die Insel wieder verlassen kann. Mittels der Gefahrenkarten versuchen wir das Robinson-Kartendeck zu "pimpen“. Wir ziehen die obersten zwei Gefahrenkarten vom Stapel. Eine wählen wir für Robinsons Training aus, die andere kommt auf den Ablagestapel. In der ersten Runde sind die Gefahrenwerte der Karten noch niedrig (grüner Wert). Wir dürfen kostenlos so viele Robinsonkarten aufdecken, wie links auf der Gefahrenkarte angegeben sind. Jede weitere kostet uns einen unserer grünen Lebenspunkte. Einige der Robinsonkarten haben über die Stärkepunkte hinaus Eigenschaften, die es uns beispielsweise erlauben weitere Robinsonkarten zu ziehen oder unseren Lebenspunktespeicher wieder aufzufüllen. Erreichen wir mit den Robinsonkarten den Wert der Gefahrenkarte, so gewinnen wir diese Karte und können sie ab jetzt (seitenverkehrt) als Robinsonkarte für unser Deck benutzen – je höher die besiegte Gefahr, desto besser auch ihre Stärke und zusätzliche Eigenschaft. Erreichen wir aber nicht den Wert der Gefahrenkarte, dann verlieren wir die Differenz von Gefahrenwert zu erreichten Robinson-Stärkepunkten von unseren Lebenspunkten. Dieser Verlust birgt jedoch auch Chancen, denn durch Niederlagen gewinnt man ja bekanntlich manchmal auch an Erfahrung. Für jeden Verlustpunkt dürfen wir uns einer unserer gerade gespielten Karten entledigen – bevorzugt natürlich von den schlechten und unnützen. Für zwei Verlustpunkte können auch die sogenannten Tollpatschkarten entsorgt werden. Diese "schleichen“ sich ins Robinson-Kartendeck ein, wenn dieser aufgebraucht ist und wieder neu gemischt werden muss. Wenn der Gefahrenstapel alle ist, mischen wir den Ablagestapel und lassen Robinson nun gegen den höheren Gefahrenwert (gelb) antreten. Nach dem dritten Durchgang (rote Gefahrenwerte) treten wir in gleicher Weise wie zuvor gegen die Gefahrenkarten gegen die beiden bereitgelegten Piratenschiffe an. Hat Robinson auch diese besiegt, haben wir das Spiel gewonnen und können uns an ein höheres Level wagen. Als Tipp für das Ausspielen der Karten: Gemäß Anleitung soll man die Robinsonkarten, von denen man bereits die Eigenschaft genutzt hat, um 90 Grad auf die Seite drehen. Zieht man jedoch mehr Karten (dies passiert nicht erst bei den Piratenschiffen) kann es schnell unübersichtlich werden. Ich fand es einfacher zwei Kartenreihen zu bilden: Ich lege oben neben der Gefahrenkarte alle Robinsonkarten ab, bei denen ich die Eigenschaften noch nicht benutzt habe, und unten alle Karten, die keine Eigenschaften besitzen und diejenigen, bei denen ich die Eigenschaft schon genutzt habe.

Gesamteindruck
Aller Anfang ist schwer – erst recht für einen verwöhnten, mittelständischen Kaufmannssohn auf einer abgelegenen karibischen Insel. Im Roman schafft es Robinson erst nach 28 Jahren, endlich von Freitags Insel zu entfliehen. Zwar wird es nicht so lange dauern, bis sich erste Erfolge einstellen, aber steinig ist der Weg schon. Von den ersten 18 Spielen im ersten Level habe ich gerade einmal sechs erfolgreich bestanden. In den ersten Spielen fiebert man noch mit Robinson mit, versucht verschiedene Möglichkeiten, rechnet herum und brennt darauf, es gleich noch einmal zu versuchen. Doch genauso schnell, wie eine einsame Karibikinsel vom Paradies zum Albtraum werden kann, verfliegt auch an diesem Spiel der Reiz. Recht schnell beginnt man zu realisieren, dass es nicht sehr viele Möglichkeiten gibt das Spiel zu gewinnen und dass man doch nicht allein am Tisch sitzt, sondern der Zufall höchstpersönlich mitmischt.

Das Spielthema ist von Friese wunderbar als "Pimp-my-Deck-Spiel" umgesetzt worden. Zur besonderen Spielatmosphäre trägt die grafische Gestaltung der Ausstattung von Marcel-André Casasola Merkle und Harald Lieske bei, die hervorragende Arbeit geleistet haben. Dass nicht alle Spielelemente logisch sind, fällt nicht weiter auf. Beispielsweise stellen die Robinsonkarten eine Art "Zeitstapel" dar – eigentlich eine ganz hervorragende Idee – , denn immer, wenn dieser Stapel neu gemischt wird, wird die oberste Tollpatschkarte beigefügt. Sie resultieren aus der Einsamkeit Robinsons, in der sich die Schusseligkeiten bei fortschreitender Zeit häufen. Doch die Zeitkomponente ist nicht ganz rund, denn wenn man viele der schlechten Robinsonkarten entsorgt und mit einem sehr reduzierten Deck spielt, trifft man immer schneller auf die alltäglichen Aussetzer, obwohl nicht mehr Zeit vergangen sein dürfte. Andersherum: Sortiere ich nur sehr langsam aus dem Robinsonstapel die schlechten Karten und habe dementsprechend einen recht großen Stapel, dann vergeht die Zeit scheinbar langsamer in der Karibik...

Entscheidende Siegvorteile kann man erlangen, wenn man schon in der ersten Runde ein paar höhere Gefahrenkarten aus dem Weg räumt. Diese müssen in den nächsten beiden Runden dann nicht mehr mit ihrer noch höheren Gefahrenzahl bestanden werden und sind umgedreht als Robinsonkarte mit hohem Stärkepunkt natürlich ungemein hilfreich, um weitere Gefahrenkarten zu bestehen. Ob man diese hohen Gefahrenkarten anfangs jedoch besiegen kann, hängt weniger vom eigenen Geschick ab, als davon, ob man zufällig die richtigen Karten zieht.

Der Kartenzufall kann bei Freitag schon sehr reinhauen. Während man diesen jedoch bei Dominion als nicht sehr gravierend wahrnimmt, weil Glück und Pech sich über das ganze Spiel meist die Waage halten und das Verhältnis der gekauften Karten viel entscheidender ist, bedeutet Kartenpech bei Freitag meist schon der sichere Tod bei den Kannibalen oder den wilden Tieren. Ziehe ich bei Dominion immer fünf neue Karten, wodurch alleine durch die hohe Anzahl Glück und Pech ausgeglichen wird, so darf man hier meist nur ein bis zwei, in wenigen Fällen vier oder fünf ziehen. Kommen dann ausgerechnet die falschen Karten, kann es von "Ich fühl mich quicklebendig" zu "halb tot" nicht lange dauern. Einmal hatte ich in Runde zwei die Wahl, ob Robinson es mit den Kannibalen oder den anderen Kannibalen aufnehmen soll. Ich zog eine Null, eine Null und dann ausgerechnet die "STOPP-Tollpatschkarte“. Die bedeutet, dass man die restlichen, einem zustehenden Robinsonkarten nicht mehr ziehen darf. Ergab neun Minuspunkte und damit die sichere Niederlage.

Diese Zufälle, welche Gefahren einem Schiffbrüchigen auf einer karibischen Insel des 18. Jahrhunderts begegnen, wenn man durchs Unterholz kreucht, mögen zwar realistisch sein, erinnern aber entfernt an das "Colony-Dilemma".

In diesem pädagogischen Kolonisationsspiel von Till Meyer trifft die Spielenden der mörderische Zufall mit der gleichen Wucht wie die spanischen Conquistadoren: Er entscheidet wie damals, ob der erste Schritt in die neue Welt gelingt oder nicht. Das ist nicht nur für Schülerinnen und Schüler sehr lehrreich, kann jedoch für Spielende, denen es an einem Spieleabend vordergründig um Strategie, Taktikmanöver und Sieg qua besserer Spielweise geht, schnell frustrierend sein. Ähnlich empfinde ich zum Teil Freitag. Es birgt erhebliches Frustpotenzial, wenn wieder einmal der Kartenstapel wie verhext scheint und Robinson schon wieder tot ist. Es hätte dem Spiel mit Sicherheit gut getan, wenn nicht der Reiz darin bestünde, endlich auch einmal zu gewinnen, sondern seinen eigenen Punkterekord steigern zu können. Denn bis man dort angelangt ist, ist einem das Spiel mittlerweile völlig gleichgültig geworden.

Etwas Absurd ist auch, dass man zum Teil in der dritten Runde gegen manche leichte Gefahrenkarten gar nicht mehr gewinnen möchte, um nicht ihre zu diesem Zeitpunkt mittlerweile schlechten Robinsoneigenschaften in sein Deck aufnehmen zu müssen. Eigentlich, so sollte man meinen, sollte man doch gegen die Gefahren gewinnen und die umgedrehte Robinsonkarte anschließend ablehnen können, Sieger können doch sonst immer alles entscheiden. Auch wenn die Regel an diesem Punkt nicht ganz eindeutig ist ("Du gewinnst die Gefahrenkarte..."), da man Gewinne doch auch ablehnen können sollte, der 2F-Verlag erklärte auf Anfrage, dass man jede besiegte Gefahrenkarte als Robinsonkarte auch auf die Hand nehmen müsse.

Fazit
Mit Freitag hat Friedemann Friese auf den ersten Blick ein klassisches Thema in ein interessantes Einpersonen-Deckspiel umgesetzt. Schnell ist der Wiederspielreiz jedoch wieder verflogen, da kaum verschiedenen Wege zum Sieg existieren und das Kartenglück, welches stark über Sieg oder Niederlage bestimmt, sehr frustrierend sein kann. Diese Mischung trägt dazu bei, dass man dem Spiel spätestens nach der 15. Partie überdrüssig ist. Löblich erwähnen sollte man an dieser Stelle jedoch die Preispolitik des 2F-Verlags. Mit ca. elf Euro ist das Spiel durchaus auch für einen "Kauf ins Blaue" interessant. Es kann vermutet werden, dass andere Verlage hier deutlich höher angesetzt hätten.

Gespannt kann man aber auf Frieses nächstes Freitagsprojekt sein. Es heißt "fremde Federn" und bedient sich ganz ungeniert an den Bestsellern der letzten Spielejahre.



10. August 2012 - (jd)

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