Rezension von Voll ins Schwarze


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von HUCH & friends bereitgestellt wurde.)

Rezension

Voll ins Schwarze – Rate sich wer kann!
Auf dem Spielemarkt hat sich in den letzten Jahren in der Kategorie "Wissensspiele" erfreulicherweise einiges getan! Gefühlt Jahrhunderte gab es in diesem Segment nichts anderes als Trivial Pursuit oder ähnliche Wissensabfragemonster, die im Stil von "Wer wird Millionär" nichts anderes taten als bekanntes und unbekanntes "Allgemeinwissen" abzufragen und Frust allerorten zurückließen. Urs Hostettlers Anno Domini-Reihe hat (HURRA!) glücklicherweise gezeigt, dass es für alle Beteiligten viel mehr Spaß machen kann, wenn man das klassische Wissensspiel um Schätz-, Poker- und Einsatzelemente erweitert. Nachfolgende Spiele wie Schätzen Sie mal, Gambit 7 und Fauna zeigten, dass hier durchaus Potenzial vorhanden ist. In diesem Umfeld bewegt sich "Voll ins Schwarze". Wissensfragen, aber eben doch kein klassisches Wissensspiel.

Thema und Ziel des Spieles
Ziel des Spiels ist es, die Fragen, die allesamt nach Zahlen von 1 bis 99 fragen, richtig oder zumindest am dichtesten dran zu beantworten. Durch geschicktes Management der Zahlenkarten muss man dafür sorgen, dass man bei den entscheidenden Fragen die richtigen Antworten auch legen kann.

Spiel-Vorbereitungen
Alle Spielenden wählen vier der sechs Wissenskategorien aus (Dies & Das, Geografie, Geschichte, Sport, Technik und Unterhaltung) und stecken die jeweiligen Fragenkarten der Kategorie in eines der vier Stanzlöcher im Spielplan. Die Spielfiguren werden auf das Feld 0 gesetzt, die schwarzen Spielfiguren werden vor den äußersten Ring der Spielplan-Zielleiste neben die Fragenkarten gestellt. Die Zahlenkarten werden nach Zahlen von 1-9, 10-20 und 30-80 sortiert und vor die aufgemalten Werte der Spielkartonseite gelegt. Alle Spielenden erhalten eine Pausenkarte, drei Karten vom Stapel 1-9 und je zwei Karten von den Stapeln 10-20 und 30-80).

Spielablauf
NReihum wählen die Spielenden eine der vier Wissenskategorien aus und setzen die zur Kategorie zugehörige schwarze Speilfigur einen Kreis in der Zielscheibe weiter. Die aufgedruckte Zahl in diesem Kreis bestimmt welche der drei Fragen vorgelesen wird. Anschließend schätzen alle mit ihren Karten verdeckt die Antwort. Dabei können so viele Zahlenkarten gelegt werden wie man möchte, die Summen Adieren sich jeweils (3+5+20+30= geschätzte Antwort: 58). Derjenige, der die richtige Antwort gelegt hat oder am dichtesten an der Antwort dran war, gewinnt und erhält dafür einen Punkt (sobald die schwarze Figur in der Zielscheibe den gelben Kreis überschritten hat, zwei Punkte). Nur der/die Spieler/in, die den Punkt bekommen hat. verliert nun alle eingesetzten Zahlenkarten, außer sie/er hat exakt die richtige Antwort gelegt, dann dürfen die Karten behalten werden. Alle anderen Spielenden, die keine Punkte bekommen haben, dürfen ihre ausgelegten Karten wieder auf die Hand nehmen. Beim verdeckten Tippen kann jede/r auch seine Pausenkarte zu den verdeckten Zahlenkarten legen. Macht er/sie dies, so beteiligt er/sie sich nicht beim Schätzen der Antwort, sondern darf sich drei beliebige Zahlenkarten von den ausliegenden Stapeln auf die Hand nehmen. Erreicht eine schwarze Figur den schwarzen Kreis auf dem Spielplan, so darf diese Wissenskategorie nicht mehr gewählt werden. Gelangt die dritte schwarze Figur innerhalb des gelben Kreises, wird die letzte Frage vorgelesen. Wer anschließend die meisten Punkte besitzt, hat das Spiel gewonnen.

Gesamteindruck
Touko Tahkokallios Spiel "Eclipse“ hat letztes Jahr einiges Aufmerksamkeit in der Spieleszene auf sich ziehen können, die Anzahl der Titel an Spieleerscheinungen seit 2011 aus seiner Feder ist beeindruckend. Im Gegensatz zum regelintensiven Spiel Eclipse sind hier die Regeln leicht und schnell erlernbar. Die grafische Gestaltung der Spielschachtel von Michael Menzel ist genauso wie die Einbeziehung des Spielkartons für das Spielfeld und das Auslegen der Zahlenkartenstapel gelungen. Zu bemängeln gibt es hier nur, dass der Stauraum im Kartoninneren schlecht aufgeteilt wurde. Zwar gibt es sechs Wissenskategorien, aber nur fünf Einschübe. Auch das Symbol für die Wissenskategorie "Dies & Das" hätte leichter zu erkennen sein können, wer denkt schon bei einer Brille mit Nase und Schnurrbart an "Dies & Das"?!

Die Spielkomponente mit den Zahlenkarten ist zunächst interessant, weil sie neu in diesem Bereich ist. Sie erweckt zunächst den Eindruck, dass zum Sieg nicht nur gutes Schätzen und Wissen von Nöten ist, sondern auch der richtige Einsatz und die Organisation der Zahlenkarten. Denn wenn man die exakte richtige Antwort legt, dann kann man ja seine ausgelegten Karten behalten und verliert sie nicht. Wenn ich sie verliere, dann verliere ich auch Runden, an denen ich mitschätzen kann, denn ich muss mir neue Zahlenkarten besorgen, für die ich eine Runde aussetzen muss. Je mehr Zahlenkarten ich aber habe, desto größer ist auch die Chance, dass ich eine Antwort auch exakt legen kann. Die Strategie scheint also klar zu sein: Kommen in den ersten Runden Fragen mit denen ich nicht viel anfangen kann, so werde ich aussetzen und meine Anzahl an Handkarten vergrößern. Diese vergrößern meine Chance, eine exakt richtige Antwort zu geben, und die Wahrscheinlichkeit in späteren Runden zwei statt einem Punkt zu erhalten ist sowieso größer, sodass sich das Aussetzen in den ersten Runden besser angelegt ist als in den späteren Runden.

Diese Strategie wird sich am Ende auszahlen, könnte man denken, doch spätestens beim zweiten Spiel merkt man, dass sie nicht funktioniert. Vielleicht ist es sogar gut, dass sie nicht funktioniert, denn eine so offensichtliche Strategie ist nicht gerade reizvoll. Leider macht der Grund, warum diese Strategie nicht funktioniert, das Spiel auch nicht gerade reizvoll. Dieser Grund liegt in den Fragen begründet. Nur bei wenigen Fragen können die Spielenden tatsächlich auch nur annähernd die Antwort wissen. Bei den meisten Fragen ist nahezu jede Antwort zwischen 1 und 99 möglich, sodass auch Schätzen kaum möglich ist, geschweige denn eine exakt richtige Antwort auszulegen. Beispiele gefällig?

- Wie viele Euro beträgt die Jahresmiete für eine Wohnung in der Augsburger Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt?

- Wievielmal schwerer ist die Erde im Vergleich zum Merkur?

- Über wie viele tausend Mal bebt die Erde durchschnittlich weltweit pro Jahr?

- Wie viele tausend Kilometer Luftlinie beträgt die Strecke Anchorage - Istanbul.

Wäre der Anteil dieser "Ich-schätz-mal-ins-Blaue-Fragen" geringer, so würde das Spiel mit Sicherheit seinen Reiz mit den Zahlenkarten entfalten können. In dieser Form ist es jedoch überwiegen kein "Schätzen", sondern "Raten". Dass der Verlag genau dies auf dem Cover verspricht ("Rate sich wer kann"), ist zwar löblich, macht das Spiel aber leider trotzdem nicht besser, denn es macht das Spiel beliebig. Oftmals fühlt es sich an es wäre völlig egal, was für Zahlenkarten ich lege und bei welchen Fragen ich aussetze – ob ich wenigstens in die Nähe der Antwort komme, hängt sowieso nicht von mir ab. Da ist es auch egal, ob mir eine Wissenskategorie liegt oder nicht. Wenigstens ist der "Aha-Effekt" deshalb bei vielen Fragen um so größer und trägt tatsächlich oftmals zur Belustigung der Spielerunde bei.

Fazit
"Voll ins Schwarze" trifft nicht ganz ins Schwarze. Die tragende Spielkomponente ist zwar interessant, wird aber durch die meisten Fragen kaputtgemacht. So kann man kaum Schätzen und muss sich aufs Raten verlegen, was irgendwann zur Beliebigkeit verkommt. Auch wenn die Fragen und Antworten oftmals zur Belebung der Spielerunde beitragen können, andere Spiele in diesem Bereich sind deutlich besser.



15. Januar 2013 - (jd)

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