Rezension von Bora Bora


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Ravensburger bereitgestellt wurde.)

Rezension

Bora Bora
Das Atoll Bora Bora entspricht so ungefähr unserer Vorstellung eines märchenhaften Südseeurlaubs. Tiefblaues und türkisfarbenes Wasser, muschelweiße Strände, Lagunen, Palmen und Pfahlbauten vor einem alten erloschenen Vulkanberg. Als Allerletztes erwarten wir hier einen Haufen Schwertsarbeit, schließlich soll es doch um Entspannung gehen, oder? Stefan Felds Bora Bora belehrt uns eines Besseren: Auch Arbeit kann in einem solchen Paradies Spaß machen.

Thema und Ziel des Spieles
Tja, worum geht es? Folgen wir der Anleitung, dann versuchen wir in der geheimnisvollen Inselwelt Bora Bora Hütten zu errichten, diese mit Männern und Frauen zu besiedeln, Priester zu entsenden und den Göttern Gaben zu opfern, damit sie uns im Gegenzug bei unseren Vorhaben und Aufgaben helfen und unterstützen. Schauen wir hinter die Themen-Fassade, so ließe sich ebenso mit Recht feststellen, dass es sich hier um einen gut verzahnten und geschmierten Mix verschiedenster Stefan-Feld-Mechanismen handelt, der uns herausfordert, ihn so gut es geht zu bewältigen und ein Maximum an Siegpunkten zu erreichen.

Spielablauf
Das Erklären der Regeln kann auch in einer erfahrenen "Vielspielerrunde" eine gute halbe Stunde in Anspruch nehmen, zum einen, weil es nicht ganz wenige Regeln sind, die wir uns merken müssen, zum anderen, weil fast alles zur Verfügung stehende wieder das andere bedingt und beeinflusst und sich das Regelwerk dieser Mechanismen-Mixtur erst nach und nach erschließt. Nach einer Partie hat man sie dann aber im Kopf, unterstützt durch die Regelillustrationen auf dem Spielfeld. Es macht daher an dieser Stelle wenig Sinn, genauer ins Detail zu gehen. Der Hauptablauf gestaltet sich folgendermaßen:

In Phase A setzen wir drei zuvor geworfene Würfel auf sieben verschiedenen Aktionskarten ein. Je höher die Augenzahl, desto mehr Möglichkeiten und Auswahl haben wir bei den Aktionen. Je höher die Augenzahl, desto schwieriger wird es jedoch auch, auf den gewünschten Aktionskarten die Würfel einzusetzen, da die Würfelzahl niedriger sein muss als schon bei zuvor eingesetzten Würfeln.

In Phase B können wir die Hilfe von unseren Frauen und Männern in Anspruch nehmen. Diese haben wir uns (möglicherweise) in Phase A besorgt und schon in die Stammesgemeinschaft aufgenommen. Denn nur wenn sie diesen Ritus überstanden haben, dürfen sie uns mit Aktionen unterstützen, zu denen wir in Phase A nicht mehr gekommen sind.

In Phase C gibt es eine Wertungsrunde, die die neue Reihenfolge bestimmt, uns Gelegenheit gibt Schmuck zu erstehen und Aufgaben zu erfüllen.

So optimieren wir sechs Mal die drei Phasen durch und am Ende gibt's eine Endwertung.

Gesamteindruck
Wie schon erwähnt, Bora Bora kann sich ordentlich nach Arbeit anfühlen. Diese fängt schon an, wenn wir die Schachtel aus dem Regal holen und wir das Gewicht von Unmengen an Karten, Chips, Marker, Steinchen, Häuschen, Plättchen, Tableaus und Spielplan zu unserem favorisierten Ort des Spielens schleppen. Anschließend erwartet uns weitere Arbeit, denn als dies möchte natürlich sortiert, geordnet, präpariert, gemischt, aufgedeckt, abgezählt und bereitgelegt werden. Anschließend die Regelerklärung. Wer danach noch dabei ist, der kann sich nun auf – hatte ich es schon erwähnt? – ja genau, auf die Arbeit des Spielens in Bora Bora freuen. Circa zwei Stunden später werden wir es geschafft haben. Der Verlag verspricht zwar eine Spielezeit zwischen 60 und 120 Minuten, und diese ist bestimmt sehr abhängig von der Grübelfreudigkeit unserer Südseegenossen am Tisch, aber unter zwei Stunden habe ich es tatsächlich noch in keiner Spielerunde geschafft. Um die Mechanismen von Bora Bora zu durchschauen, benötigt es schon eine Partie, darauf sollte man sich einstellen. Ab der zweiten Partie ist dann vieles klarer und eindeutiger.

Bora Bora: institutionalisierte Armut

Bora Bora hat, auch wenn es auf den ersten Blick nicht gleich ins Auge springt, viele Gemeinsamkeiten mit den einem seiner Vorläufer, den Burgen von Burgund. Mit wenigen Würfeln, die die Zufallskomponenten des Spiels ausmachen, sind wir vor die Aufgabe des ständigen Optimierens gestellt. Jede Aktion bringt uns einen bestimmten Benefit, der sich dann wieder für viele andere Aktionen nutzen lässt, welche wiederum wieder Benefits abwerfen, die sich dann wiederum... worauf ich hinaus wollte, ist wahrscheinlich deutlich geworden. Jede Aktion bestimmt unweigerlich unsere nächsten Aktionen und Möglichkeiten, denn habe ich beispielsweise durch meine Siedlungen nicht den richtigen Rohstoff erhalten, so kann ich später nicht meinen Zeremonienplatz ausbauen, habe ich nicht an der entscheidenden Stelle genügend Muscheln oder Tattoos zur Verfügung, kann ich meine Frauen und Männer nicht in die Gemeinschaft aufnehmen und habe dann bei der nächsten Aktion keine Siedlungen zum Bauen zur Verfügung usw. Viele Wege führen zum Ziel und wir sind ständig gefordert wieder umzudenken, da unsere Mitspielenden ja ebenfalls die sicher geglaubten Aktionsfelder, Bauplätze, Priesterfelder, Spielerreihenfolgeleiste, Wertungs- und Aufgabenplättchen belegen und uns mitunter vor der Nase wegschnappen. Hier wie da gibt es gefühlt unendlich viele Möglichkeiten und doch gleichzeitig gefühlt nur so wenige Züge. Da ist die Spieleschachtel voll von Opulenz und Überfluss und wir nagen in einem fort unter ständiger Armut an allem Möglichen – an fehlenden Spielzügen, Schmuck, Würfelzahlen, Frauen, Männern und und und. Nirgendwo scheint es ein Auskommen zu geben, immer fühlt es sich an, als wenn wir wieder einmal weniger als nur die Hälfte des Vorgenommenen geschafft hätten. Wie auf Arbeit eben.

Da besonders die Aktionsmöglichkeiten durch die drei Würfel stark beschränkt sind, gilt es, relativ schnell in Phase B geeignete Frauen und Männer zur Verfügung zu haben, mit denen weitere Aktionen möglich sind. Dabei gibt es den Kniff, dass immer nur jeweils eine gleiche Frauen- und Männerart genutzt werden kann. Je mehr Frauen der gleichen Art ich besitze, umso stärker kann ihre Aktion ausfallen, da sie dann gemeinsam die Aktion ausführen. Besitze ich jedoch viele verschiedene Frauen- und Männerarten ("Arten" meint hier lediglich die Aktionsart, die mit einer Frau/Mann ausführbar ist), so kann ich zwar nur eine schwächere Aktion mit ihnen ausführen, dafür stehen mir viele verschiedene Aktionen zur Verfügung und nicht nur eine starke, die ich vielleicht irgendwann gar nicht mehr benötige. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als wenn hier völlig unverhältnismäßig ein hochkomplexes Spiel mit zwei Stunden Spieldauer in das enge Glückskorsett von drei Würfeln gezwängt worden wäre – dem ist mit Sicherheit nicht so. Die Würfel, die wir zu Beginn einer jeder der sechs Runden werfen, sind ein kleiner, aber feiner Ausgleichsmoment von unvorhergesehener Zufälligkeit in einem ansonsten von Planung bestimmten Spiel.

Bora Bora: Aufgesetztes Thema, das aber auszuhalten ist

Bei so vielen verzahnten Mechanismen kommt es zwangsläufig dazu, dass sich das Spiel dem Vorwurf aussetzen muss, dass das Thema sehr aufgesetzt wirkt. Dass die Mechanik nicht mehr das Spielthema trägt, sondern das Thema nur noch Mittel zum Zweck ist. Schon früheren Spielen von Feld wie den Burgen von Burgund, Trajan, Luna und Brügge konnte man diesen Vorwurf machen. Das ist aus meiner Sicht bei Bora Bora noch am Besten auszuhalten, denn stimmig ist es allemal und seien wir ehrlich, aus der Mechanikverzahnung wird hier der Wiederspielreiz gezogen und nicht aus dem Thema. Genauso wenig würden wir aber gerne den Mechanismus ohne irgendein Thema spielen. Folgerichtig, dass sich das Thema hier dem Mechanismus unterordnet, ist bei der Illustration auch von der realitätsgetreuen Abbildung des Bora Bora-Atolls abgesehen worden. Besteht diese in Wirklichkeit aus einer Hauptinsel mit Berg und einer sie umgebenden Lagune, wird auf dem Spielplan eine Hauptinsel und vier kleine benachbarte Insel gezeigt, die eigentlich gar nicht existieren.

Bora Bora funktioniert sowohl zu zweit, zu dritt, als auch zu viert. Genossen habe ich es vor allem zu zweit, da dann die Wartezeiten von zwei weiteren Personen wegfallen – einfacher wird es dadurch aber mit Sicherheit nicht. Alexander Jung hat als Grafiker und Illustration dafür gesorgt, dass die vielen komplexen Regeln per genauer Regelillustration auf Spielplan und Tableaus gut sichtbar sind und wir auch ohne ständiges Nachschlagen durch das Spiel geleitet werden. Nur zwei kleine Schönheitsfehler haben sich da eingeschlichen: Auf der Punkteleiste der Tattoos hätten die Punktezahlen ebenso wie überall auch mit der roten Blume eingerahmt sein müssen und bei den Würfelzahlen zwischen den Siedlungsgebieten ist für Erstspieler/innen nicht immer gleich eindeutig, ob sie nun die mindestens oder die maximal geforderte Würfelsumme wiedergeben. Und für meinen Geschmack ist das Spiel doch ein bisschen zu bunt geworden. Ähnlich wie bei Myrmes meint man auch hier die LSD-Brille aufzuhaben. Zwar sind auf dem Spielplan die einzelnen Gebiete dadurch gut abgegrenzt, aber dies wäre bestimmt auch etwas ansprechender möglich gewesen.

Viele Wege führen nach Bora Bora und der Weg ist das Ziel

Und trotz der gefühlten Arbeit, der Knappheit und der vielen Möglichkeiten, die wir wieder einmal ungenutzt zurücklassen mussten, Bora Bora macht Spaß. Es fordert heraus, es beim nächsten Mal noch ein bisschen besser zu machen, noch zielgerichteter einen Weg durchzuziehen, dass wir da neben dem Spielen ständig auch eine Materialverwaltung durchführen müssen, die sich wie eine Inventur im örtlichen Supermarkt anfühlt - geschenkt. Den einen Weg gibt es auch in Bora Bora nicht, die ständige Frage, welchen der vielen verschlungenen Pfade ich mir selbst suche, macht ungemeinen Reiz aus. Es gibt zwar mit der Zeit ein paar bessere Strategien, um ausgetretene Pfade handelt es sich hier aber nicht. Und trotz der vielen Arbeit – ich habe mehr als einmal den Wunsch nach einer sofortigen Revanche gehört.

Fazit
Bora Bora ist richtige Arbeit. Das ist nicht für jede/n etwas, auch nicht für so manche/n Vielspieler/ in. Wer schon viel Freude an Felds Burgen von Burgund hatte und gerne noch eine ordentliche Schippe Komplexität und Kniffeligkeit draufhaben möchte, dem sei Bora Bora wärmstens ans Herz gelegt. Denn auch Arbeit kann richtig Spaß machen – wenn sie einem nur liegt!

20. November 2013 - (jd)

Rezensionsbilder