Rezension von Noblemen


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Noblemen
Noblemen ist ein Erstlingswerk. Nachdem Dwight Sullivan 2009 mit dem ersten Platz des Hippodice Autorenwettbewerbs prämiert wurde, sicherte sich der Pegasus Verlag den Titelträger und bringt das Spiel nun drei Jahre später auf unsere Spieletische.

Thema und Ziel des Spieles
Wir befinden uns im so genannten elisabethanischen Zeitalter. Elisabeth I., auch bekannt unter dem Namen "The Virgin Queen", macht ihrem Spitznamen alle Ehre und schenkt ihrem Land einfach keine Thronnachfolger. Daher gilt es für uns als Angehörige des britischen Hochadels, nun die Gunst der Königin zu erwerben, um allerbeste Chancen für eine Person unserer Familie bei der Thronnachfolge zu erwerben.

Spiel-Vorbereitungen
Wir stellen je nach Anzahl der Spielenden die verfügbare Anzahl an Gebäuden (Burgen, Paläste, Kapellen und Follies) auf dem Spielplan bereit, der Dekaden- und Rundenzähler wird auf das jeweilige Startfeld gestellt. Die Spielenden erhalten ihren Farben gemäß einen Sichtschirm, Ritter, Steuer- und Landgewinnungsmarker. Der Startspieler erhält 10 Pfund, im Uhrzeigersinn erhalten die Nachfolgenden jeweils ein Pfund mehr. Der/die Spieler/in rechts vom Startspieler erhält die Königin. Die Spielenden starten mit insgesamt 12 Landschaftsplättchen und erhalten 1 Skandalkarte.

Spielablauf
Ausgangspunkt unseres Anwesens ist eine Burg auf grüner Wiese. Reihum bietet sich uns eine von sieben Aktionsmöglichkeiten. Außerdem können wir vor oder nach unserer Aktion eine Skandalkarte ausspielen. Die sieben möglichen Aktionen:

a)Wir vergrößern unser Anwesen mit maximal drei weiteren Landschaftsplättchen aus unserem Vorrat. Für Äcker erhalten wir sofort Geld, für einen Hain erhalten sofort weitere Landschaftsplättchen in unseren Vorrat, für Gärten erhalten wir später Prestige. b)Wir bauen ein Gebäude auf ein freies Wiesenplättchen. Für eine Burg dürfen wir mit einem eingesetzten Ritter bei einem Mitspielenden wildern, für einen Palast erhalten wir die Königin, für eine Kapelle erhalten wir eine zusätzliche Skandalkarte, die uns Vorteile bringt, und für ein Folly gibt es einfach nur schnöde Punkte. c)Wir kaufen maximal fünf Bestechungsmarker, die uns beim Steuereintreiben, Landgewinnen oder beim Maskenball weiterhelfen. d)Wir treiben Steuern in der Anzahl unser Äckerplättchen ein. e)Wir gewinnen Landplättchen in der Anzahl unser Hainplättchen hinzu. d)Wir stiften Landplättchen aus dem Vorrat der Kirche und erhalten Punkte. e)Wir frönen dem Müßiggang und erhalten fürs Nichtstun einen Punkt.

Immer wenn ein Spieler nach seiner Aktion die Königin besitzt, geht der Rundenzähler einen Schritt auf der Rundenleiste weiter. Stößt dieser Rundenzähler auf eines der zwei Maskenballfelder, so findet sofort ein Maskenball statt, bei dem wir je nach Position und unseren aktuellen Prestigepunkten einen Adelstitel von der Königin erhalten, die Vorteile beim Bauen von Gebäuden und Siegpunkte beinhalten. Stößt der Rundenzähler am Ende einer Dekade (= eine Runde) auf die Gebäudewertung, dann werden unsere Anwesen gewertet. Nach der Gebäudewertung beginnt eine neue Dekade. Nach der dritten Dekade ist das Spiel vorbei. Wer nun die meisten Siegpunkte besitzt, genießt das höchste Ansehen bei der Königin und gewinnt das Spiel.

Gesamteindruck
1715 legte Stephen Switzer im Traktat "The Noblemen, Gentlemen, and Gardener´s Recreation" die Idee zu Grunde, dass bei der Anlage von Landschaftsgärten Ästhetik und wirtschaftlichen Profit gleichermaßen einbezogen werden sollte – ein Gedanke, der die englische Naturauffassung sehr geprägt hat. Dies gilt es, in Noblemen umzusetzen: Ausgehend von unserer mickrigen Burg zu Beginn des Spiels, versuchen wir unser Anwesen so auszubauen, dass wir nicht nur schöne Gärten vorzuweisen haben, die uns nur bei den Maskenbällen Prestigepunkte einbringen, sondern ebenfalls aus den angelegten Hainen und Äckern finanziellen Gewinn in Form von harten Geldstücken oder weiteren Landschaftsplättchen erhalten. Denn nur von dem Prestige der Maskenbälle werden wir Adligen nicht satt. Auch wenn es sechs ernst zu nehmende Aktionsmöglichkeiten gibt (als Adliger würde ich natürlich ausschließlich dem Müßiggange frönen – aber nein, vor dem allerletzten Spielzug ist er in Noblemen keine Option für uns), beschränken wir uns zu Beginn vor allem auf den Landschaftsausbau: ohne Äcker kein Geld für weitere Gebäudeausbauten, ohne Haine keine weiteren Landschaftsplättchen, ohne Gärten keine Chance beim Maskenball, ohne Wiesen wiederum kein Platz für neue Gebäude. In welcher Form lege ich mein Anwesen an? Wie schnell vervollständige sie ich? Wie und wann ordne ich sie am Besten in Hinblick auf zukünftige Steuereinnahmen, Landgewinnung und die Gebäudewertungen an?

Gut begonnen, ist halb gewonnen...
Ob wir nun in Gärten, Äcker, Haine, einen guten Mix aus allen Dreien oder zwei Schwerpunkte setzen, um unser Anwesen zu vergrößern, Noblemen fühlt sich in den ersten Partien nach viel Auswahl und Spieltiefe an. Denn so viel will man doch noch tun und so wenig Zeit bleibt schon wieder bis zur nächsten Gebäudewertung und erst recht bis zum nächsten Maskenball: Noch schnell einen Palast bauen, doch für diesen fehlt mir das Geld, also noch Steuern eintreiben, aber komme ich dann noch einmal dran? Schnell merken wir vor allem: Eine gute Anordnung der einzelnen Landschaftsarten von Spielbeginn an in unserem Anwesen kann später vieles erleichtern – gerade in diesem Punkt haben Anfänger/innen den anderen oft das Nachsehen. Denn Burgen und Paläste werden nur gewertet, wenn sie vollständig mit Landschaftsplättchen umgeben sind. Das kann manchmal gar nicht so leicht sein, denn die Äcker, Hain und Gärten bringen uns nicht nur als einfaches ausgelegtes Plättchen Benefits, sondern sie bringen uns noch mehr, wenn wir vier von derselben Sorte in einem Viereck zusammengelegt und vervollständigt haben. Doch einfach nur schnell auf Vierecke setzen ist auch nicht ratsam, denn in unsere Vierecke können die Konkurrenten nach dem Bau einer Burg einen Ritter einsetzen und uns damit sofort (direkt) und in Zukunft (indirekt) um Geld oder Plättchen erleichtern.

Es gilt also, die Mitspielenden im Blick zu behalten. Zwar kommt man nur durch das Einstellen der Ritter in direkte Konfrontation mit den anderen, doch viele Züge werden von den Mitspielenden mitbestimmt: Die Preise der Gebäude, benötigte Punkte beim Maskenball, Annahmekapazität des Spendensäckels der Kirche (Nein, die Kirche nimmt nicht unbegrenzt Spenden an, wo kämen wir denn dahin!), sogar was die Anzahl meiner Züge in einer Dekade angeht, können mir meine Mitspielenden einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Gerade dieser letzte Aspekt ist unglaublich gelungen. Besitzt der aktive Spieler am Ende seines Zuges die Königin, so geht der Rundenzähler einen Schritt weiter auf der Leiste. Je öfter die Königin wechselt, desto schneller ist auch eine der drei Spieldekaden vorbei. Indem gezielt vor einem Maskenball noch die Königin an sich gerissen wird, können die Mitspielenden keinen Zug mehr vornehmen und verlieren vielleicht wichtige Prestigepunkte für den Ball. Wer die nötigen Prestigepunkte beim Maskenball erreicht, der kann sich bis zum nächsten Ball mit einem der begehrten Adelstitel schmücken, diese bringen vor allem üppige Punkte und finanzielle Erleichterungen bei der nächsten Gebäudeanschaffung ein.

70 Minuten, die sich nach mehr anfühlen
Leicht kommt man zu der Annahme, dass es vor allem gilt, bei den Maskenbällen vorne zu liegen, da wir es über das ganze Spiel immerhin mit sechs Bällen zutun haben (von den Gebäudewertungen gibt es dagegen nur drei), doch in meinen Spielerunden konnte sich diese Annahme nicht bestätigen. Noblemen bietet verschiedene Spielwege an, die aber auch nicht so ausgetreten sind, dass man sie nicht noch einmal verlassen könnte – vor jedem Zug wird man durch die Spielzüge der anderen genötigt, die Möglichkeiten des eigenen Fortkommens kritisch zu überprüfen. Langes Dauergrübeln bleibt aber aus. Ohnehin ist es bemerkenswert, dass sich Noblemen nach einem "stattlichen" Spiel anfühlt, dann aber doch meist nicht länger als 70-80 Minuten dauert, und zwar auch mit fünf Spielenden.

Ich scheine ein Fan dieses Spiels zu sein, trotzdem gibt es auch ein paar Schattenseiten. Das zufällige Ziehen der Landschaftsplättchen ist für mich ein zu hoher Glücksfaktor. Zwar kann ich jederzeit ohne Aktionsverlust 2:1 tauschen, doch wenn ich mal wieder richtig danebengegriffen habe, dann kann dies meine Plättchenanzahl ungemein reduzieren. Offenes, selbstbestimmtes Ziehen wäre hier vielleicht der bessere Weg gewesen. Und dann sind da noch die Skandalkarten. Es ist kaum zu übersehen, dass die "Intrige", mit der ich beim nächsten Nachziehen der Skandalkarten gleich alle drei Auswahlkarten abgreifen kann, statt nur eine davon zu behalten, viel zu stark ist. Im Grunde hofft man jedes Mal nur auf sie. Bekommt ein Spieler die Intrige gar zweimal im Spiel zu fassen, so hat er schon einen ungeheuren Vorteil. Besser wäre es gewesen, jede/r hätte zu Beginn eine solche Intrigenkarte auf der Hand, so dass jede/r genau einmal diese Einsatzmöglichkeit im Spiel besitzt.

Hervorragende Ausstattung
Was die Ausstattung angeht, hat Pegasus sich nicht lumpen lassen: Eine robust stabile Spieleschachtel, schöne Holzgebäude, ansprechende und stimmige Grafik, eine einleuchtende Visualisierung der Spielregeln hinter den Sichtschirmen und vor allem eine schöne Umsetzung der Idee, dass die Spieler nach dem Maskenball einen neuen Adelskopf auf ihre Sichtschirme stecken können. Nur die Skandalkarten sind nicht so langlebig wie andernorten die normalen Spielkarten. Trotzdem ist für mich Noblemen in der Qualität von Ausstattung, Grafik und Illustration in diesem Spielejahrgang fast ungeschlagen, besser war da nur Menzels "Die Legenden von Andor".

Wie Eingangs erwähnt, ist Noblemen Dwight Sullivans Erstlingswerk. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht sein Letztes ist. Das Spiel ging in vielen anderen Kritiken unter – mir gefällt es trotz der berechtigten Kritikpunkte.

Als Königin Elisabeth I. 1603 kinderlos starb und mit ihr die Tudor-Dynastie endete, da machte übrigens anschließend die Familie Stuart das Rennen. Der Sohn von Maria Stuart, Jacob VI., wurde nur wenige Stunden nach Elisabeths Tode zum König von England und Schottland ausgerufen und vereinigte damit als erstes englisches Oberhaupt diese beiden Königreiche unter einer Krone. Follies wird Königin Elisabeth übrigens keine in ihrem Garten besessen haben. Diese hielten erst im Zuge der Romantik im 18.Jahrhundert Einzug in die englischen Landschaftsgärten.

Fazit
Noblemen ist schön auszusehen und bombastisch in seiner Ausstattung. Trotz verschiedener Spielstrategen und -möglichkeiten bleiben Grübel-Arien aus und auch mit fünf Personen ist es gut in 70-80 Minuten gespielt. Zwar können einige berechtigte Schwachstellen im Spiel vorgebracht werden, dennoch überzeugt es mit seiner Mischung aus nicht-zu-tiefem Tiefgang, Spielmechanik und Illustration.

15. Oktober 2013 - (jd)

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