Rezension von Galapagos


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Amigo-Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Galapagos
Die Galapagos-Inseln sind für was bekannt? Natürlich, für die Darwin-Finken und ein hochsensibles wie faszinierendes Ökosystem, welches jährlich Hunderttausende von Touristen aus der ganzen Welt besuchen, um ihr Ego gegenüber sich selbst oder ihrer Umwelt (nicht unbedingt gleichbedeutend mit "der Umwelt") aufzubessern. Und dann war da noch das weltweit beachtete, tragische Dasein von "Lonesome George", letzter Vertreter einer Schildkrötenart, der kürzlich aber, wie schon andere Unterarten der auf den Galapagos vorkommenden Riesenschildkröten, das Zeitliche gesegnet hat. Armer George... AMIGO bietet uns nun die Gelegenheit, uns auf die Suche nach anderen Schildkröten-Unterarten zu machen.

Thema und Ziel des Spieles
Bewaffnet mit Fotokameras machen wir uns auf, um vor unseren Mitspielern möglichst viele verschiedene Schildkrötenarten auf den Galapagos aufzutreiben. Wer diese in üppiger Anzahl vor die Kamera bekommt, kann sich am Spielende rühmen, die meisten Fotos auf seinem flickr-Konto online gestellt (oder gewonnen) zu haben.

Spielablauf
Auf einem variablen Inselspielplan mit sechs verschiedenen Geländearten und einem Vulkan in der Mitte befinden sich in jeder Runde je nach Spieleranzahl fünf oder sechs verschiedene Schildkrötenarten. Alle Spielenden würfeln gleichzeitig ihre fünf Würfel, die dann je nach gewürfelter Farbe vorgeben, auf welche Geländearten die Spielenden ihre Spielfigur bewegen können. So schnell es geht planen wir den Zug unserer Spielfigur über die Insel und legen dafür unsere Würfel auf unsere fünf Würfelfelder. Jeder Würfel steht für einen Schritt auf ein benachbartes Geländefeld. Möchte ich beispielsweise mit meiner Spielfigur ein angrenzendes gelbes und anschließend ein schwarzes Geländefeld betreten, so lege ich zuerst einen gelben Würfel und anschließend einen schwarzen Würfel in meine Reihe – habe ich diese Farben nicht gewürfelt, so muss ich mir wohl oder übel einen anderen Weg gemäß meiner gewürfelten Farben suchen. Hinzu kommt, dass ich von den sechs existierenden Insel-Eckfeldern auch eins von den beiden benachbarten Insel-Eckfeldern betreten darf – wenn ich denn die richtige Würfelfarbe vor mir liegen habe. Der/die Erste, die meint, alle ihre Würfel in die richtige Reihenfolge gelegt zu haben, schnappt sich die Sanduhr vom Vulkanfeld und dreht sie vor sich um. Alle anderen haben nun noch genau die Zeit einer Sanduhr übrig, um ihre Würfel vor sich in eine für sie sinnvolle Reihe zu bringen. Anschließend dürfen alle, beginnend mit der- oder demjenigen, der die Sanduhr umgedreht hat, ihre Spielfigur über die Geländefelder ziehen. Begegnen sie dabei einer ausgelegten Schildkröte, so dürfen sie auf ihren Auslöser klicken und die Schildkröte an sich nehmen. Wurde diese vorher schon von jemandem anderen weggeschnappt, so gehen wir leider leer aus. Sind alle Schildkrötenplättchen eingesackt worden, erhalten wir für jede Schildkrötenart einen Punkt. Sechs verschiedene Arten bringen uns acht Punkte ein. Im Spiel zu zweit kann das Spiel sogar vorzeitig enden, wenn einer der beiden Spielenden fünf gleiche Schildkröten einer Art vor sich liegen hat und damit gewinnt.

Gesamteindruck
Ich persönlich mag Spiele, bei denen alle gleichzeitig und am Besten noch gegen eine Sanduhr gezwungen sind spielentscheidende Dinge zu planen oder bauen. Tolle Spiele in diesem Segment waren beispielsweise zuletzt Galaxy Trucker , Mondo oder Space Alert. Dass diese Zeitdruck-Spiele auch mit Kindern gut spielbar sind, beweist seit langem der Klassiker Ligretto. Mit Galapagos versucht AMIGO nun ein Familienspiel in dieser Richtung zu platzieren. Während bei den zuvor genannten Spielen die Sanduhr etwas länger braucht, um abzulaufen, geht es bei Galapagos mitunter viel schneller, müssen wir schließlich nur fünf Würfel in einer Reihenfolge sortieren und schnell nach der Sanduhr grapschen. Unter Erwachsenen, wo man sich nichts schenkt, greift durchschnittlich nach spätestens fünf Sekunden jemand nach der Uhr, im Spiel mit Kindern, wo man sich durchaus etwas schenkt (nämlich ein freudestrahlendes Kindergesicht, wenn das Kind gegen den Erwachsenen gewonnen hat), dauert es schon etwas länger. Hier liegt schon mein erster Kritikpunkt. Familienspiele funktionieren genau dann hervorragend, wenn die Spielmechanik dafür sorgt, dass alle auf gleicher Augenhöhe miteinander spielen. Bei Galapagos funktioniert das nicht, denn ein Erwachsener erkennt schon vor dem Würfeln seine eventuellen Möglichkeiten und kann diese bei entsprechenden Würfelfarben in Bruchteilen von Sekunden umsetzen. Jüngere zwischen 8 bis 12, auf die vor allem die Spielillustration abzielt, sind dazu aber nicht in der Lage, so dass schon die Ausgangssituation extrem asymmetrisch ist. Spielen Kinder gleichen Alters, dann mag das funktionieren, als Familienspiel würde ich es nicht empfehlen. Auch wenn ich das Planungsmoment und die spätere Auflösung, ob meine Planung aufgeht und ob ich nicht etwas viel Lukrativeres durch den Zeitdruck übersehen habe, durchaus spannend finde, entscheidet über den Sieg bei Galapagos vor allem wer die Sanduhr hat greifen können – es lohnt nicht, die Anderen mal machen zu lassen und die eigene Route, langsamer, aber dafür ohne Fehler vorauszuplanen. Der- oder Diejenige, die die Sanduhr umdreht und dann mit ihrer Spielfigur beginnt, wird ein bis drei Schildkröten einsammeln können, wenn der Nächste dann auch noch einmal ein bis zwei Schildkröten abgreift, dann wird für spätere Spieler allerhöchstens noch eine Schildkröte übrig bleiben. Während Erwachsene schon vor dem Würfeln wissen, dass sie bspw. mit einem roten und blauen Würfel zwei benachbarte Schildkröten erreichen, diese (sofern gewürfelt) sofort anordnen und alle anderen Würfel einfach irgendwie hinlegen, weil sie keine große Rolle spielen, überprüfen Kinder erst einmal, ob nicht doch irgendwie entferntere Schildkröten zu erreichen sind.

Emil Grünbär wäre nicht ganz zufrieden ...
Wenn die Schildkröten denn überhaupt zu erreichen sind! Bei fünf Würfeln kommt es sehr häufig vor, dass aus den gewürfelten Farben einfach kein vernünftiger Weg über die Insel gebahnt werden kann. Das ist für Erwachsene ärgerlich, weil sie sich vom Zufall ausgebremst fühlen, für Kinder sogar regelrecht frustrierend, weil sie gerne spielen möchten, ihnen aber jede Möglichkeit dazu von den Würfeln genommen wird. Einige achtjährige Kinder hatten zudem in meinen Textpartien Probleme, sich vorzustellen, dass ihre anzuordnenden Würfel nur "virtuell" erst einmal ihre spätere Inselroute vorausplanen. In solchen Fällen haben wir uns damit geholfen, dass sie ihre Spielfigur als Unterstützung beim Planen über die Spielfelder bewegen durften. Sollte man im Spiel zu zweit nicht versäumen zu versuchen, sich fünf Schildkröten derselben Farbe anzueignen, um das Spiel vorzeitig zu seinen Gunsten zu beenden, so spielt dies im Spiel zu dritt oder zu viert keine Rolle, da es hier fast ausschließlich darauf ankommt, so viele Schildkröten wie möglich zu erhalten: Routen nach Schildkröten-Farben zu planen macht keinen Sinn und hält zeitlich nur auf. Und noch etwas gefällt mir nicht: Lässt das Spielecover durchaus noch die Interpretationsmöglichkeit, dass es hier tatsächlich "nur" um das fotografische Sammeln der Schildkröten auf den Galapagos-Inseln geht, so verordnet die Spielanleitung dann tatsächlich das "einsammeln". Sah ein Spielbox-Rezensent in 06/2013 [http://www.spielbox-online.de/] darin eine leichte Kritik am Fototourismus, würde ich nicht soweit gehen. Es würde zwar genauso etwas übertrieben sein, das haptische Einsammeln der Schildkröten als spielerische Vermittlung von unreflektiertem Sammeln und naturräuberischer Aneignung von schützenswerten Lebewesen zu kritisieren – dennoch zeigt gerade ein sehr kleines Detail auf dem Cover, dass sich die AMIGO-Redaktion, wenn überhaupt, dann nur als Allerletztes, über pädagogische Fragen Gedanken gemacht hat: Da reitet doch tatsächlich ein stehendes Männlein auf einem Schildkrötenpanzer durch die Brandung der Insel! Emil Grünbär, seines Zeichens Vertreter der anarcho-liberalen Öko-Bewegung, wird so schnell wohl nicht in die AMIGO-Redaktion finden...

Fazit
Galapagos geht ziemlich fix – zu fix, als dass Kinder bei einem Familienspiel gegenüber Erwachsenen mithalten könnten. Zudem kann Pech beim Würfeln frustrieren und Schnelligkeit einseitig den/die Gewinner/in Küren. Auf Planung kommt es weniger an, eher auf Würfelglück und absolute Schnelligkeit. Erzieherische Vermittlung von ökologischem Bewusstsein wird in Galapagos, wenn auch sehr unterschwellig, eher konterkariert.



02. April 2014 - (jd)

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