Rezension von Tides of Time: Im Strom der Zeit


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Pegasus Verlag bereitgestellt wurde.)

Rezension

Tides of Time
Mit Tides of Time legt Pegasus ein weiteres reines 2-Personenspiel vor, welches sich vor allem durch seine kurze Spieldauer von ca. 15 Minuten auszeichnet. Überraschend dabei ist, dass das Spielmaterial lediglich 18 Spielkarten und vier Holzgebäude enthält. So passt das Spiel in fast jede Tasche und kann als Lückenfüller überall hin mitgenommen werden.

Thema und Ziel des Spieles
Der Untertitel des Spiels – Im Strom der Zeit – ist Programm: Mittels Kartendrafting bauen wir altertümliche Fantasyreiche auf, die über drei Zeitalter gedeihen und wieder zusammenfallen. Doch nach jedem Untergang bleiben Relikte des vorherigen Reiches übrig und helfen dem neuen Reich Siegpunkte zu generieren.

Spielablauf
Wir starten jeder mit fünf Handkarten. Gleichzeitig suchen wir uns eine aus, legen diese vor uns in unser Reich ab und geben ("draften") unserem Mitspieler die verbleibenden vier. Nun suchen wir uns wieder gleichzeitig eine Karte aus, legen sie in unser Reich ab und geben die verbleibenden drei unserem Mitspieler. Das geht so fort, bis wir vom Mitspieler die letzte verbleibende Karte erhalten, mit der wir unser Reich komplettieren. Nun zählen wir unsere Siegpunkte, die durch das Zusammenspiel der Karten und ihrer fünf Symbole (Palast, Bibliothek, Garten, Tempel, Festung) generiert werden. Einige Karten bringen für Sets von Symbolen Siegpunkte, andere Siegpunkte pro eines bestimmten Symbols, für die Mehrheit an einem Symbol oder bestimmte Fähigkeiten (beispielsweise "Gewinne alle Gleichstände").

Die Punkte werden notiert, zusätzlich bestimmen wir eine unserer Karten, die nun dauerhaft aus dem Spiel genommen wird und eine, die für die weiteren Runden in unserem Reich liegen bleibt (das Relikt) und als Erinnerung mit einem Holzgebäude markiert wird. Alle Karten werden mit den restlichen gemischt, jeder erhält wieder fünf Handkarten und der schon beschriebene Ablauf wiederholt sich. Wer nach drei von diesen Durchgängen am meisten Punkte in den Zeitaltern erzielen konnte, gewinnt am Ende das Spiel.

Gesamteindruck
Nur so wenige Karten? Diese Frage wurde zuletzt häufiger in Spielerunden gestellt. Dass sich die Anzahl von Karten nicht unbedingt nachteilig auf die Spielqualität auswirken müssen, sondern sich – neben anderen positiven Effekten, wie ein kleiner Preis sowie wenig benötigter Platz im Spieleregal oder der Tasche – durchaus sehr positiv auf das Spielgeschehen auswirken kann, haben andere Spiele wie beispielsweise Love Letter oder Der Rat von Verona bewiesen.

Zunächst sollte man alle Kartenregeln, auch wenn die Beschriftung recht einleuchtend erscheint, im Glosar nachlesen. Unbewusst habe ich einige Kartenfunktionen in den ersten Partien zunächst falsch gespielt (Achtung beispielsweise beim "Maulswurfshügel"!), auch wenn es sich richtig anfühlte. Eine erste Partie dient vor allem dem Verinnerlichen der Kartenfunktionen, in einer zweiten Partie versuchen wir dann schon gezielt mit Kartenwissen einem Strategieweg konsequent zu folgen und dem Mitspieler mit Abwerfen günstiger Karten zu schaden. Das "Ich-denke-das-er- denkt-das-ich-denke beginnt.

Einige Karten erscheinen auf den ersten Blick sehr viel stärker als andere zu sein, aber das ist tatsächlich sehr vom Zeitpunkt abhängig, in der die Karte im Spiel auftaucht, generell ließ sich die häufiger mal von meinen Gegenspielern geäußerte Vermutung meines Erachtens nicht bestätigen. Vielmehr fordern die Karten kontinuierlich heraus, ihren aktuellen Wert für mich und den des Gegners abschätzen zu müssen. Manchmal, vor allem am Ende der Runden, kann dies zu Rechnereien verkommen, was aber bei der Kürze des Spiels verschmerzbar ist. Genauso empfindet man dies bei der Höhe des benötigten Kartenglücks: ja, vorhanden, aber okay im Verhältnis zur Spieldauer. Besonders gelungen ist vor allem die Einbettung des Mechanismus in ein stimmiges Thema. Zwar fühlen wir uns beim Draften nicht wirklich wie kleine Zivilisationen-Aufbauer, aber rein auf der Gefühlsebene vermittelt der Mechanismus sehr gut das Thema des Untergehens, aber nicht ganz Verschwindens von Reichen über verschiedene Zeitalter hinweg.

Vielspieler werden dennoch nach sieben bis acht Partien alle Strategiewege ausgetreten haben, neue Herausforderungen suchen und keine finden und noch größere Variabilität vermissen.

Trotzdem Tides of Time ist eine runde Sache: Die Qualität der Karten, die aus recht dicker Pappe hergestellt wurden, ist außerordentlich gut, die Illustration der Karten sogar noch besser. Auch wenn ich persönlich nicht gerne Spiele mit Fantasythema spiele, konnte ich mich auf die Illustrationen einlassen, weil sie ästhetisch äußerst gelungen sind und sich auch nicht schrill aufdrängen. Sie erinnern äußerst gelungen an die in den 90er Jahren recht populären Poster mit dezenten Fantasy- Landschaften von Hans-Werner Sahm.

Fazit
Tides of Time besitzt viel was Spaß macht: kleiner Preis, kurze Spieldauer, wenig Regeln, verschiedene Gewinnstrategien, tolle Kartenillustrationen und -qualität und eine tolle Umsetzung des Themas. Das reicht für einige Partien und kann auch Menschen locken, die ansonsten nicht so viel spielen. Ab der siebten, achten Partie werden "Vielspieler" aber nicht mehr viel Neues entdecken können und dann wird die Begeisterung nachlassen. Das Spiel bietet aber Möglichkeiten für Erweiterungen und die würde ich mir durchaus wünschen!

21. März 2016 - (Jan Drewitz)

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