Rezension von Colosseum


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Days of Wonder bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Ich hatte mich im Internet schon informiert und so wusste ich was mich erwartet: Eine schwere Spielepackung mit tonnenweise Markern und Goodies - für viele Leute vermutlich abschreckend, aber nicht für mich. Ich liebe Spiele mit viel Spielmaterial. Doch der Reihe nach: Die Verpackung von Colosseum ist mit einer Szene aus einer Arena sehr schön gestaltet; wie eigentlich das ganze Spielmaterial unheimlich liebevoll und immer zielführend informativ gestaltet ist - und das sind insg. 10 Stanzbögen! Auch das recht große Spielbrett ist sehr detailliert gezeichnet. Weiteres Material, was der Käufer in der Verpackung findet, sind 6 A5-Regelzusammenfassungen, einen schwarzen Stoffbeutel, 2 Würfel und 5 kleine Holzspielsteine. Weiteres Highlight in meinen Augen sind vor allem die handgefertigten 6 Adligen (insbesondere die 2 Konsuln und der Kaiser). Lobend erwähnen muss man auch, dass in der Schachtel ein Plastik-Inlet befindet, in dem sämtliches Material fein säuberlich geordnet Platz findet. So etwas fehlt heutzutage leider bei zu vielen Spielen. Dem Spiel liegt auch eine Übersicht bei, welche Spielmaterialien wo in der Schachtel ihren Platz finden - lustigerweise fehlen auf dieser Übersicht die hölzernen Zuschauerzähler.

Auch die 10-seitige Anleitung ist schön gestaltet und immer gut durch Beispiele oder Bilder illustriert. Der Ablauf der Beschreibung ist logisch und lässt sich auch vor dem 1. Spiel gut lesen. Regelfragen kommen bei dieser Anleitung nicht auf. Den Regeln liegt noch eine kleine Spielvariante bei, die hier aber nicht betrachtet wird. Weiterhin findet man einen Code, der es einem ermöglicht diverse Spiele auch online zu spielen - bisher allerding noch nicht Colosseum. Ein rundum gelungener Ersteindruck!

Thema & Ziel des Spiels
Rom, Löwen, Gladiatoren. Wer bei diesen Wörtern direkt an antike Zeiten, (lebens-) gefährliche Spiele, Sklaven und echte Helden denkt, hat das Thema von Colosseum schon recht gut eingegrenzt. Die Spieler versuchen in einer Zeit, in der die Menschen noch auf eine andere Art als Fernsehen unterhalten werden wollten, DIE große Show abzuziehen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn gewinnen kann nur, wer gleichermaßen seine Arena aufbaut, für das nötige Programm sorgt und auch Kaiser, Konsul und Senator zufrieden stellt. Sieger ist der Spieler, der während einer Veranstaltung die meisten Zuschauer in seine Arena lockt. Um aber an die ganz großen Zuschauerzahlen zu kommen, muss man erst durch kleinere Veranstaltungen an das nötige Geld kommen.

Spiel-Vorbereitungen
Das große und schön gestaltete Spielbrett kommt in die Mitte, dieses für 3-5 "Veranstalter" ausgelegten Spiels. Spielgeld, Würfel, Podien, Arena-Erweiterungen, Kaiser-Medaillen, Programmkarten (Typ "11 bis 30") und Star-Karten werden alle neben dem Spielfeld bereit gelegt. Jeder Spieler erhält nun eine Übersichtstafel, 30 Goldstücke, zwei Programmkarten (je eine vom Typ "1 bis 5" bzw. "6 bis 10") einen Rekordstein und 2 Arena-Bauteile in seiner Farbe. Die Spektakelplättchen werden (nach Rückseitenfarbe sortiert) gemischt und 5x3 grüne Plättchen offen auf das Spielbrett gelegt (in die Mitte). Je nach Spielerzahl erhält nun jeder Spieler offen noch eine bestimmte Anzahl an Plättchen, der Rest der grünen Plättchen kommt verdeckt in Griffweite. Die orangefarbenen Plättchen kommen in den Beutel.

Je nach Spielerzahl baut nun jeder Spieler seine 2-teilige Arena an der vorgegebenen Stelle auf. Kaiser-, Konsuln- und Senatoren-Figuren kommen auf die angegebenen Startfelder. Wenn nun noch der Rundenzähler auf dem Feld "1" liegt, können die Spiele beginnen.

Spielablauf
Ein Spiel geht über 5 Runden, die für jeden Spieler jeweils in 5 freiwillige Phasen unterteilt sind. Jeder Spieler schließt zuerst seine Phase ab, bevor die nächste Phase in Kraft tritt. Die einzelnen Phasen sind:
  • Investieren
  • Spektakel-Plättchen erwerben
  • Mit Spektakel-Plättchen handeln
  • Veranstaltung aufführen
  • Abschlusszeremonie (entfällt in der 5. Runde)


1. Investieren: In dieser Phase kann jeder Spieler entweder eine neue Programmkarte kaufen (die Nummer muss höher sein, als alle bisher aufgeführten Veranstaltungen), seine Arena erweitern (maximal 2-mal), einen Luxusplatz einrichten oder eine Kaiserloge bauen. Während die Programmkarte und der Ausbau der Arena es möglich macht, größere Veranstaltungen durchzuführen (und dadurch mehr Zuschauer anzulocken) bringt einem der Luxusplatz automatisch 5 neue Besucher und die Kaiserloge erhöht die Chance, dass der Kaiser höchstpersönlich bei einer Veranstaltung vorbeischaut (da man in Phase 4/1 mit 2 Würfeln würfeln darf). Eine Kaiser-Medaille kann in dieser Phase gegen 6 Goldstücke eingetauscht werden. Gegen Abgabe von 2 Medaillen darf ein Spieler 2x investieren.

2. Spektakel-Plättchen erwerben: Während dieser Phase werden die Plättchen der 5 Märkte in der Mitte des Spielbretts versteigert. Der Startspieler dieser Runde kann ein Eröffnungsgebot (mind. 8 Gold) auf einen der Märkte abgeben. Nun können reihum alle Spieler für diesen Markt erhöhen, bis nur noch ein Spieler übrig ist. Dieser erhält die 3 Plättchen dieses Marktes. Gewinnt der Spieler die Auktion, der das Startgebot abgegeben hat, werden die Plättchen nun neu aufgefüllt und der nächste Spieler kann ein Startangebot abgeben. Ansonsten bleibt der Markt leer und der aktive Spieler beginnt erneut mit einem Startangebot. Verzichtet der aktive Spieler darauf, das Startangebot abzugeben, wird der Markt komplett neu aufgefüllt. Der Gewinner einer Auktion kann in dieser Runde nicht mehr an einer weiteren Auktion teilnehmen.

3. Mit Spektakel-Plättchen handeln: Beginnend mit dem Startspieler machen alle Spieler offen Angebote, um Spektakel-Plättchen zu tauschen, verkaufen oder kaufen. Außer den Plättchen darf nur Gold in den Handel involviert sein, also keine sonstigen Marker.

4. Veranstaltung aufführen: Beginnend mit dem Startspieler kann nun jeder eine Veranstaltung aufführen, was in 3 Schritten passiert:
  • Figuren bewegen: Der Spieler würfelt mit einem Würfel (bzw. 2, falls seine Arena eine Kaiserloge besitzt) und zieht daraufhin einen (oder 2) der Adligen auf dem Rundkurs weiter. Beendet ein Adliger seinen Zug auf einem Ruhefeld, erhält der Spieler eine Kaiser-Medaille. Bereits erhaltene Kaiser-Medaillen können nun abgegeben werden, um einen Adligen weitere 3 Felder zu ziehen (diesmal auch rückwärts!).
  • Schauspiel darbieten: Ist die Arena-Größe ausreichend und sind genügend passende Spektakel-Plättchen vorhanden, kann ein Spieler eine Aufführung veranstalten. Die volle Zuschauerzahl erreicht man aber nur, wenn man alle vorgegebenen Plättchen auf der Hand hat.
  • Zuschauerzahl berechnen: Der wichtigste Punkt des Spiels, ermittelt die Zuschauerzahl doch den Sieger des Spiels. Folgende Zuschauerzahlen werden addiert, um die Gesamtzahl der Zuschauer zu ermitteln: Besucher der Veranstaltung (je nach Anzahl der vorhandenen Plättchen) + 5 Zuschauer für jede bisher von diesem Spieler aufgeführte andere(!) Veranstaltung + 5 Zuschauer für jede Luxusloge + 4 Zuschauer für jede Star-Karte (falls mind. 1 Spektakelplättchen dieser Farbe bei der Veranstaltung eingesetzt wurde) + Bonus, falls ein Adliger in der Arena ist + 3 Zuschauer für bisher gewonnene Podien (gleich dazu mehr) + 3 Zuschauer für jede Kaisermedaille, die der Spieler nun einsetzen will.


Übertrifft die Gesamtzahl der Zuschauer die bisherige Bestleistung des Spielers, wird dessen Rekordstein auf den neuen Wert gezogen. Weiterhin erhält der Spieler nun Goldstücke in der Anzahl der Gesamtzuschauerzahl.

5. Abschlusszeremonie : Der Spieler mit der bisher höchsten Zuschauerzahl erhält nun eine Podiumskarte (die 3 zusätzliche Zuschauer bringt). Jeder Spieler muss nun eines eingesetzten seiner Spektakelplättchen aus dem Spiel nehmen. Weiterhin "bittet" erhält der letztplatzierte Spieler vom führenden Spieler eines seiner Spektakel-Plättchen.

Neben "normalen" Spektakel-Plättchen gibt es noch 3 besondere Plättchen: Joker (ersetzen ein beliebiges Spektakel-Plättchen während einer Veranstaltung, Kaiser (der Spieler erhält eine Kaisermedaille) sowie Zusatzaktion (Entweder erhält der Spieler eine Kaisermedaille oder der Spieler kann in der Investitionsphase 2x aktiv werden).

Hat ein Spieler während des Spiels mindestens 3 gleiche Spektakelplättchen gesammelt, erhält er die dazu passende Star-Karte (die 4 zusätzliche Zuschauer bringt). Hat ein Spieler zu einem Zeitpunkt mehr Plättchen dieser Art als der Besitzer der Star-Karte, wechselt die Star-Karte zu diesem Spieler.

Gewonnen hat der Spieler, der nach 5 Runden, die höchste Zuschauerzahl bei einer Veranstaltung erreicht hat.

Fazit
Colosseum ist ein rundum gelungenes Spiel. Ein Spiel, das von vorne bis hinten einfach nur Spaß macht - von den Spielmaterialien angefangen, über den Spielaufbau, bis zum eigentlichen Spiel. Das Spielmaterial habe ich ja bereits im Ersteindruck gelobt, ein Eindruck, der sich auch während des Spiels bestätigt. Neben der liebevollen Aufmachung sind es vor allem auch die Spielehilfen, die dazu beitragen, dass man die Anleitung beim Spielen eigentlich nicht mehr benötigt. Die Kurzanleitung (im A5-Format) enthält alles Wissenswerte, was man während des Spiels benötigt. Die Rückseite dieser Anleitung erhält eine Übersicht, die alle Spektakelkarten-Zusammensetzungen der Programmkarten 11 bis 30 abbildet - eine Zusammenstellung, die man des öfteren benötigen wird. Die Marker sind immer eindeutig beschriftet und das Spielbrett bietet ebenfalls Spielehilfen, z. B. wo werden bei welcher Spielerzahl die Arenen aufgebaut. Einziger Kritikpunkt bei den Spielmaterialien sind die beiden Würfel: Die weißen (römischen) Ziffern auf den hellen Würfeln sind (besonders im Dämmerlicht) nur sehr schlecht zu entziffern. (Nachtrag vom 25. September: Wie ich gerade von Days of Wonder erfahren habe, handelt es sich bei den Würfeln um einen Produktionsfehler - vorgesehen sind eigentlich Würfel mit schwarzem Aufdruck!) Das das Spiel trotz vieler Spielmaterialien schnell aufgebaut ist, ist ein weiterer Pluspunkt dieses Spiels.

Nun zum eigentlichen Spiel, das uns, wie gesagt, alle ausnahmslos begeistert hat. Dies lag m. E. nach an diversen Faktoren:
  • Glücksfaktor: Der Glücksfaktor bei Colosseum ist vorhanden, aber nicht spielbestimmend, da er nur an 2 Stellen vorkommt: "Welche Spektakelplättchen liegen in welcher Verteilung auf den Märkten" sowie "Der Würfelwurf zum Bewegen der Adligen". Trotz dieser Glückmomente blockieren diese nur selten wirklich die eigene Strategie. Nahezu immer kann man einen Plan-B basteln. Wenn man den Adligen, den man gerne in seiner Arena hätte, nicht dorthin ziehen kann, entferne ich eben den Adligen aus der Arena des Gegners. Wenn es keine passenden Spektakelplättchen zu kaufen gibt, baue ich eben mein Programm um. Momente wie diese gibt es viele in Colosseum - weswegen ich zum nächsten Punkt komme:
  • Strategie: Auf der einen Seite, kommt man ohne gute Strategie nicht weiter in seiner Jagd nach Zuschauern, auf der anderen Seite, kann man die meisten Rückschläge recht gut auf andere Art kompensieren. Dies zeigte sich auch daran, dass es keine klare Gewinn-Strategie bei unseren Spielen gab. Das größte Programm aufzuführen, reichte nicht immer zum Sieg. Ohne die Zuschauerboni durch Star-Karten, Luxusplätzen, Adligen usw. ist es nahezu unmöglich zu gewinnen. Das ist es auch, was Colosseum so interessant macht und zum x-maligen spielen verführt. Jedes Spiel läuft ein bisschen anders und ein Spieler sollte in der Lage sein, sich der Situation anzupassen. Wenn die eigenen Spektakelplättchen ungünstig sind, um eine ganz große Vorführung aufzuführen, dann baut man eben nicht die ganz große Arena, sondern kümmert sich darum, möglichst viele Sonderpunkte einzuheimsen. Die Strategie zum Gewinn liegt immer etwas anders. Die Auswahl der Spektakelplättchen ist die wohl wichtigste Entscheidung bei Colosseum und will wohl überlegt sein. Diverse Dinge gibt es hier zu bedenken: Nützen mir die Plättchen ggf. auch etwas für größere Veranstaltungen? Gerät durch Plättchen meine Star-Karte in Gefahr? Welches Plättchen gebe ich nach der Veranstaltung ab? Falls ich führender Spieler bin auch: Welches Plättchen könnte mir der letztplatzierte Spieler klauen?
  • Vielfalt: Die Wege zum Ziel (=Gewinn) sind so vielfältig, dass man sie hier nicht alle aufführen kann. Als Beispiel sei hier nur die Investitions-Phase aufgeführt. Bereits hier stellt man die Weichen, in welche Richtung man sich entwickelt. Der Kauf einer neuen Programmkarte will wohl überlegt sein, denn durch die Begrenzung auf 5 Spielrunden, kauft man sich i. d. R. nie mehr als 2 Karten während eines Spiels. Für die neuen Karten ist aber auch der Ausbau der eigenen Arena notwendig, was wiederum verhindert, dass man Luxusplätze oder Kaiserlogen baut. Kurzum: Viele Wege führen nach Rom...
  • Spielerinteraktion: Man sollte bei Colosseum nie vergessen, wie wichtig es ist, den Gegner zu beeinflussen. So ist es jederzeit möglich, führende Spieler zu bremsen. Angefangen mit dem System der Auktion zum Erwerb der Spektakelplättchen (bei dem man den Preis hochtreiben kann), über die Bewegung der Adligen bis hin zu der Tatsache, dass der letztplatzierte Spieler dem führenden Spieler am Ende jeder Runde ein Spektakelplättchen klauen kann. Vor allem der Erwerb der Spektakelplättchen ist elegant gelöst - man sollte nun nicht vergessen, dass es ein Mindestgebot von 8 Goldstücken gibt. Der Erwerb von neuen Plättchen ist immens wichtig, und wem das Gold ausgeht, hat Mühe, seine Zuschauerzahlen zu steigern.


Alle diese Punkte sind bei Colosseum sehr ausgewogen umgesetzt. Nie hatten wir das Gefühl, unschuldig in eine auswegslose Situation zu gelangen, auch wenn die eine oder andere Starthand an Spektakelplättchen etwas schlechter zu gebrauchen war, als andere. All das macht Colosseum zu einem wirklich hervorragenden und sehr "rundem" Spiel. Glücksspieler sind hier definitiv nicht gefordert, aber vom Gelegenheitsspieler bis zum Strategen kann jeder bedenkenlos zugreifen. Ich habe selten ein Spiel gespielt, bei dem ich (bis auf unlesbare Würfel) eigentlich nichts zu bemängeln habe - ein Fazit, das auch der Rest der Spielrunde teilt.



17. September 2007 - (tp)

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