Rezension von John Sinclair - Das Abenteuerspiel


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Ulisses Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

John Sinclair
John Sinclair ist Oberinspektor bei Scotland Yard und in einer Sonderabteilung tätig, welche sich mit übersinnlichen Phänomenen befasst. Gemeinsam mit seinen Freunden macht er seit über 30 Jahren jagt auf Vampire, Werwölfe und Dämonen. Und zwar macht er dies in den nunmehr über 1600 erschienen Romanheften von Jason Dark. In einem Abenteuerspiel können die Spieler sich nun selber als Geisterjäger versuchen und gemeinsam in die spannende Welt von John Sinclair eintauchen.

Spielbeschreibung
Vor uns liegt ein Buch mit der Aufschrift "John Sinclair - Das Abenteuerspiel" - sonst nichts. Hier soll alles enthalten sein, was man zum Spielen braucht. Zusätzlich kann man noch zwei Kartensets erwerben, die man nicht unbedingt benötigt, einem aber das Leben, sprich das Spiel, leichter und anschaulicher machen.

Nach dem Vorwort und einer Einleitung folgt eine Zusammenfassung der ersten 100 "John Sinclair"-Romanhefte mit den entsprechenden Verweisen zu den Heft- und Hörspielnummern. Direkt im Anschluss folgt eine Geschichte, die sich zunächst wie ein Roman liest. Aber nach jedem Absatz steht der Leser vor der Möglichkeit selber zu entscheiden, wie es weiter geht. Als erfahrener Geisterjäger soll man im Auftrag von Scotland Yard zu einem kleinen Dorf fahren in welchem Menschen spurlos verschwinden und Geistererscheinungen gesichtet wurden. Das sogenannte Soloabenteuer ist eine Mischung aus Roman und Spiel und versetzt den Leser in die Hauptfigur. Hier bekommt man schon mal einen Geschmack in die Spielwelt und wie es ist, ein Geisterjäger zu sein. Später im Gruppenabenteuer übernimmt ein Spieler die Rolle des "Erzählers", der die Mitspieler - also die Geisterjäger - durch das Abenteuer führt.

In dem Kapitel "Die Regeln" wird zunächst in zwölf Schritten erklärt, was für einen ersten Spielabend benötigt wird. Das ist nicht viel. Neben ein paar Mitspielern, sind das noch Tisch und Stühle (oder Couch), Papier, Stifte und einige normale Würfel. Zur besseren Atmosphäre eignen sich noch Kerzen und eine passende Hintergrundmusik. Die angehenden Geisterjäger werden dann auf das Spiel eingestimmt. Hierfür sollen sie in die Rolle eines Geisterjägers schlüpfen und eine spannende Geschichte erleben, die sie selber beeinflussen können. "Eine typische Abenteuerszene" zeigt einen kurzen beispielhaften Ablauf von zwei Spielsituationen. Anschließend werden die "Geisterjäger-Akte" und die Spielwerte näher erklärt. Jeder Spieler erhält eine dieser Akten. Dabei handelt es sich um ein Formular auf dem neben persönlichen Informationen zu dem Geisterjäger auch dessen Attribute, Fertigkeiten, besonderen Eigenschaften und Ausrüstungsgegenstände festgehalten werden. Jeder dieser Punkte ist im Buch näher beschrieben und es wird die praktische Handhabung für das spätere Spiel erklärt.

Bei einer direkten Auseinandersetzung agieren die Spieler und deren Gegner nacheinander. Beginnend beim Startspieler muss jeder dem Erzähler erklären was er tun möchte. Zum Beispiel angreifen oder eine Eigenschaft aktivieren. Je nach Art von Waffe und Gegner müssen die Spieler dann auf bestimmte Attribute und Fertigkeiten würfeln. Diese, zusammen mit eventuellen Modifikationen, bestimmen die Anzahl der Würfel. Jede geworfene 5 und 6 zählt als ein Erfolg. Das Ergebnis wird vom Erzähler mit dem vorgegebenen Wert beim Gegner verglichen und führt dann zu einem Schaden oder eben nicht. Die Kunst dabei ist es, auch die richtige Waffe gegen den richtigen Gegner einzusetzen. Zusätzlich stehen jedem Spieler "Schicksalspunkte" zur Verfügung, um im Einzelfall die Anzahl der Würfel weiter zu erhöhen.

Nun geht es dran, sich seinen eigenen Geisterjäger zu erschaffen. Dabei sind zwei Aspekte zu beachten, der Spielerische und der Erzählerische. Bei letzterem kann sich der Spieler etwas über die Herkunft und den Beruf seines Geisterjägers ausdenken und wie dieser zum ersten Kontakt mit dem Übernatürlichen kam. Passend dazu werden dann die spielerischen Aspekte festgelegt. Dies sind die Fertigkeiten, die Attribute, die besonderen Eigenschaften und die Ausrüstung. Hierfür erhält jeder Spieler eine gewisse Anzahl von Abenteuerpunkten, die er nach bestimmten Regeln verwenden kann. Vorgefertigte Berufe und jede Menge besondere Eigenschaften sind übersichtlich aufgelistet mit der genauen Beschreibung ihrer Wirkung. In der Asservatenkammer des Scotland Yard dürfen sich die Geisterjäger ihre bevorzugten Waffen und Ausrüstungen zusammenstellen. Schnelleinsteiger können sich auch einen der vier vorgefertigten Geisterjäger aus dem Buch aussuchen.

Mit den Gruppen- und Erzähleraktionen können sowohl die Geisterjäger als auch der Erzähler das Schicksal beeinflussen. Zu Beginn und während eines Abenteuers stehen den Geisterjägern bestimmte Aktionen zur Verfügung, die sie vom Erzähler in Form von Karten ausgehändigt bekommen. Durch einen plötzlichen Geistesblitz zum Beispiel erhalten sie einen wertvollen Tipp oder ein ansässiger Priester schreitet hilfreich in den Kampf mit ein. Allerdings erhält der Erzähler für jede von den Spielern genutzte Gruppenaktion Schicksalspunkte, welche er wiederum für bestimmte Erzähleraktionen gegen die Gruppe einsetzen kann, sofern es in die jeweilige Situation passt. Da ist plötzlich das Magazin einer Waffe leer oder die Geisterjäger sind schlicht und einfach vom Pech verfolgt.

Das Kapitel "Das Horrordorf" führt die Spieler schließlich zu ihrem ersten gemeinsamen Abenteuer. Zunächst werden nochmal die Unterschiede zwischen dem Solo- und dem Mehrspielerabenteuer dargestellt. Dann folgt eine kurze Erklärung wie die Abenteuer aufgebaut sind, gefolgt von einem Leitfaden für den Erzähler. Das eigentliche Abenteuer beginnt mit einem Anruf von Superintendent Powell.

Zuletzt werden weitere Kreaturen der Finsternis, wie zum Beispiel Vampire, Geister und Dämonen, in einem separaten Kapitel detailiert vorgestellt. Die Beschreibung der echten Romanfiguren, sowie der vier Beispielhelden, runden das Buch ab.

Gesamteindruck
Das 235-Seiten starke Hardcover-Buch mit praktischem Stofflesezeichen liegt gut in der Hand. Die Schreibweise ist flüssig und das Layout überzeugt. Unterbrochen werden die Texte von sehr schönen und stimmungsvollen Illustrationen in Farbe. Das übersichtliche Buch ist locker und gut verständlich geschrieben und schon das Durchlesen bereitet viel Spaß.

Die Zusammenfassung der Romanhefte zu Beginn ist für eingefleischte Fans eine willkommene Auffrischung und gibt Neueinsteigern einen guten Überblick über die Erlebnisse von John Sinclair. Sie hat keinen Einfluss auf das eigentliche Abenteuerspiel und schreckt Neulinge allerdings eher ab. Vermittelt sie doch den Eindruck, man müsse "John Sinclair" bereits kennen. Dabei ist das völlig unbegründet, wie sich beim weiteren Lesen des Buches und beim Spielen herausstellt.

In dem kleinen Soloabenteuer kann ich eine spannende Geschichte erleben und deren Verlauf sogar selber mitbestimmen. Ich schlüpfe in die Rolle eines coolen Geisterjägers, der von einer selbstbewussten Kollegin begleitet wird. Somit kommen beide Geschlechter auf ihre Kosten. Nach jedem Kapitel muss ich eine von meistens zwei möglichen Entscheidungen treffen, die den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmen. Zwar führen diese mich immer in die selbe Richtung, drehen sich manchmal im Kreise und viel falsch machen kann ich auch nicht, aber das ist auch gut so, schließlich will ich nicht gleich zu Beginn drauf gehen oder alles hinschmeißen, sondern erst mal die Welt von John Sinclair kennenlernen.

Am Anfang der eigentlichen Regeln wird schön erklärt, was für das Abenteuerspiel benötigt wird und was die Aufgaben des Erzählers und der Spieler sind. Um für die Spieler verständlicher zu machen um was es geht, gibt es vorlesbare Abschnitte für die Freunde der John Sinclair-Romane, für Computerspieler und für Brettspieler. Die Vergleiche sind passend und eingängig, so dass sich die Betroffenen schnell zurechtfinden. Einzig eine Assoziation für erfahrene Rollenspieler fehlt. Überhaupt wird im ganzen Buch nie der Begriff "Rollenspiel" erwähnt, obwohl es sich bei "John Sinclair - Das Abenteuerspiel" eigentlich um nichts anderes handelt. Das finde ich sehr gut, da hier wohl eine Brücke für unbelastete Fans der Romanreihe und für Brettspieler geschlagen werden soll. Rollenspieler finden sich mit dem Buch eh schnell zurecht und werden es entweder aufgrund des interessanten Themas gerne akzeptieren (so wie ich), oder aufgrund der augenscheinlich zu einfachen Regeln erst mal ablehnen.

Die Regeln sind relativ klar und eingängig formuliert. Sie sind verhältnismäßig einfach, aber vollkommen ausreichend gehalten. Das erleichtert sowohl den Spielern, als auch dem Erzähler den Einstieg. Zwar muss Letzterer das Buch wenigstens zweimal durcharbeiten um alles zu verinnerlichen, aber dann geht es flüssig von der Hand. Ähnlich ist es bei den Spielern, welche schon nach ein paar Herausforderungen gut im Spiel sind. Einzig wenn man etwas Bestimmtes nachschlagen möchte, kann es sein, dass man die passende Stelle nicht auf Anhieb findet. Hier hätte vielleicht ein Stichwortverzeichnis Abhilfe geschaffen. Etwas unklar bleibt auch, was passiert, wenn in einem Abenteuer alle Geisterjäger "ohnmächtig" geworden sind.

Sehr gut finde ich, dass das Spiel mit wenig Material und einfachen Würfeln auskommt. Ein Würfelwurf läuft immer nach dem gleichen Grundprinzip ab, so dass sich alle mehr auf das Spiel, als auf die Regeln konzentrieren können.

Die Erschaffung des eigenen Geisterjägers macht schon viel Spaß. Für die passende Hintergrundgeschichte kann jeder Spieler seiner Fantasie freien Lauf lassen. Man sollte nur darauf achten, dass die Gruppe sich ergänzt und man nicht vom Thema abkommt. Durch die Beispiele und die vorgefertigten Berufe kommt jeder Spieler damit gut zurecht. Sehr übersichtlich wurden die Auflistungen für die Berufe, besonderen Eigenschaften und Waffen gestaltet. Nützlich ist auch der Hinweis über den "Stand der Technik".

Eine Besonderheit sind die Gruppen- und Erzähleraktionen. Diese verleihen dem Abenteuerspiel noch mehr Würze, da beide Seiten das Schicksal beeinflussen können. Sowohl Geisterjäger, als auch der Erzähler erhalten individuelle, auf das Abenteuer zugeschnittene Sonderaktionen, die sie situationsbedingt einsetzen können. Allerdings sollten die Jäger sparsam damit umgehen, denn je mehr sie das Schicksal herausfordern, um so mehr kann es auch wieder zurückschlagen. Denn für jede genutzte Aktion erhält der Erzähler Punkte, mit denen er seine Aktionen einsetzen kann. Dies macht das Spiel noch spannender und abwechslungsreicher.

In "Das Horrordorf" geht es endlich mit dem eigentlichen Gruppenabenteuer los. Ich als Erzähler konnte die Geschichte schon in abgespeckter Form im "Soloabenteuer" erleben. Doch nun wird die Story weiter vertieft. War das Soloabenteuer noch ein Spaziergang, wird das Gruppenabenteuer zu einem herausfordernden und spannenden Erlebnis für alle Beteiligten. Ich habe es mit vollkommen unvorbelasteten Freunden gespielt, die noch nie mit einer solchen Art von Spiel zu tun hatten. Schon die Heldenerschaffung machte allen viel Spaß. Das Abenteuer selber war eine richtige Herausforderung bei der alle mit fieberten und mit viel Elan dabei waren. Leider war es trotz dem intensiven Einsatz von Schicksalspunkten und der Nutzung von Gruppenaktionen kaum zu schaffen, ohne das ich nachhelfen musste. Das lag wohl vor allem an dem extremen Würfelpech, welches wir an diesem Abend hatten. Letztendlich waren aber trotzdem alle ganz begeistert von dem Abenteuerspiel und wollten gleich noch einmal spielen. Übrigens hatten wir auch zwei Mädchen dabei, die ebenso viel Spaß hatten.

Gelungen sind auch die Beschreibungen der weiteren Kreaturen in dem gleichnamigen Kapitel. Sie sind sehr detailiert und enthalten alle Werte und Eigenschaften. Passend dazu gibt es zu jeder Kreatur ein Bild. Ebenso stimmig ist die Vorstellung der echten Romanfiguren. Gleiches gilt für die vier Beispielhelden, die wunderbar aufeinander abgestimmt sind. Hier hätten es allerdings ein paar mehr zur Auswahl sein können, vor allem weibliche Charaktere, von denen nur eine vorhanden ist.

Gefreut haben wir uns über das beigefügte großformatige Poster von John Sinclair. Besser gefallen hätte mir allerdings eine Landkarte für "Das Horrordorf", welche leider komplett fehlt, sowie eine herausnehmbare Kopiervorlage des Charakterbogens. Diesen kann man sich aber problemlos im Internet unter [url=http://www.john-sinclair.com/wp-content/uploads/2009/10/js_charakterbogen.pdf]"Charakterbogen"[/url] anschauen und ausdrucken. Vermisst habe ich auch ein Kapitel für den Erzähler über das "erfinden" von eigenen Abenteuern.

Sehr gut gelungen sind die ausführlichen Beschreibungen für den Erzähler, wie er ein John Sinclair-Abenteuer zu führen hat. Er bekommt viele Hilfestellungen und wird immer wieder motiviert sich nicht zu viele Gedanken zu machen. Das enthaltene Abenteuer ist entsprechend übersichtlich und gradlinig aufgebaut. Ich kenne kein vergleichbares System, dass es Neueinsteigern in der Rolle des "Erzählers" so leicht macht.

Ein kurzer Vergleich

Worin liegen die Unterschiede zu den meisten anderen Rollenspielen?
* Einfache, schnell zugängliche Regeln.
* Verwendung von klassischen Würfeln und nur eine einheitliche Regel für den Würfelwurf.
* Verwendung von Gruppen- und Erzähleraktionen.
* Ausrüstungen erhält man nur gegen Abenteuerpunkte oder im Abenteuer selber.
* Die Gegner (sprich der Erzähler) würfeln nie. Sie haben fixe Werte gegen die sich Geisterjäger verteidigen müssen.
* Bei einer Auseinandersetzung ist ein Spieler Startspieler, dieser wechselt bei jeder Runde.
* Jeder Geisterjäger erhält eine festgelegte Anzahl von Schicksalspunkten, welche im Abenteuer eingesetzt werden können, bzw. müssen, um es zu bestehen.
* Das Abenteuer ist in klare Szenen unterteilt und hat meist einen linearen Ablauf, was es für den Erzähler einfacher macht. Allerdings ist der Handlungsspielraum für die Geisterjäger eingeschränkt.
* Kartendecks machen das Spiel anschaulicher und es ist kein mühseliges Nachschlagen mehr notwendig.

Kartendecks

Ergänzend zum Buch besteht die Möglichkeit zwei passende Kartendecks zu erwerben. Das Geisterjägerdeck besteht aus 100 Karten. Enthalten sind alle Ausrüstungsgegenstände und die besonderen Eigenschaften. Die Geisterjäger können diese an sich nehmen und haben dadurch im Spiel die entsprechenden Werte immer parat. Das Erzählerdeck besteht aus 70 Karten und enthält alle Monster, sowie alle Gruppen- und Erzähleraktionen, so dass auch diese im Spiel immer griffbereit sind. Die Karten tragen auf der Rückseite farbige Illustrationen, die wesentlich zur Atmosphäre des Spiels beitragen.

Fazit
In dem Buch "John Sinclair - Das Abenteuerspiel" ist alles enthalten was man für einen gruseligen und spannenden Spieleabend braucht. Durch die verständliche Schreibweise und übersichtliche Aufmachung, sowie die leicht nachvollziehbaren Regeln kommen Neueinsteiger schnell mit dieser Art von Spiel zurecht. Der Erzähler muss sich zwar vorab etwas einarbeiten, aber das Buch macht es ihm mit seinen vielen Hilfestellungen einfach. "John Sinclair - Das Abenteuerspiel" ist eine klare Empfehlung für alle, die noch nicht viel mit dieser Art von Spiel zu tun hatten. Aber selbst erfahrene Rollenspieler können an den einfachen Regeln und den erfrischenden Ideen Gefallen finden. Ebenso empfehlenswert sind die praktischen Kartendecks, die für noch mehr Spielspaß sorgen.



08. September 2010 - (ms)

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