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CollectorsPlayground empfiehlt das Spiel
Blazon

Bewertung:

Der erste Eindruck bei der Betrachtung von »Blazon« ist der einer enormen Symbol-Überfrachtung: Das Spielmaterial – Karten wie Spielbrett und Tableaus – kann IKEA-Aufbauanleitungen, die alles strengstens wortlos zu erklären versuchen, locker das Wasser reichen. »Blazon« versucht ebenfalls, wirklich komplett alles ohne Worte zu erklären……… und schafft es bravourös! Es gibt viel zu sehen und zu entdecken… und zu staunen – ob man mit Heraldik etwas am Hut hat oder niemals zuvor in Berührung kam mit der teils verschrobenen Thematik, die eher ausschließlich etwas für Medieval-Nerds zu sein scheint oder Steckenpferd alter Historiker. Doch »Blazon« birgt angenehme Überraschungen, für den geneigten Spieler wie den Laien in Sachen Wappenkunde: Obwohl das sehr spezielle Nischen-Thema, das »lediglich« um eine uralte Symbolsprache kreist, dies kaum erwarten lässt, packt einen die Ästhetik der althergebrachten Zeichen beim Spieltrieb und bei der Kreativität, gerade so wie eine bunt gefüllte Kiste voller LEGO-Steine. Das ist schon mal ein guter Start! Gut bleibt es auch, sogar sehr gut: Die herausragende Spielanleitung führt uns in einen Kosmos voller Schönheit, der von einer strengen Systematik zusammengehalten wird, den Gesetzen des »Blasonierens«, der fachgerechten Gestaltung und Beschreibung von Wappen, ebenso streng systematisch wie die Infografiken von Kärtchen und Tafeln und wie das vorbildliche Regelheft selbst, das als Mehrwert fundiertes Heraldik-Wissen in knackig-knapper Sprache mitbringt. Man würde es nicht glauben: »Blazon« spielt nicht nur MIT dieser Kunstform, sondern es gelingt ihm, sie zu erklären und zu spiegeln. »Blazon« ist förmlich ein Werkzeugkoffer zur Wappen-Erstellung – gelockert und um den Todernst der Ritterzeiten erleichtert durch das spielerisch-verspielte Random-Element im Rahmen des traditionellen Heraldik-Reglements. Auch wenn man dem historischen Hintergrund nicht viel Aufmerksamkeit schenkt und das Zeichensystem des Spiels wie die Zeichensysteme anderer Spiele – wie etwa Skat – als rein funktional wahrnimmt, fasziniert einen das heraldische Baukastenprinzip mit all seinen Spielarten, Wechselwirkungen und Variationsmöglichkeiten so sehr, dass man sich nur schwer entziehen kann. Der Clou: Tatsächlich entsteht als Resultat einer Partie für jeden Spieler etwas, das man nach Spiel-Ende dringend und sehnlichst SEHEN will. Und auch das gelingt! Vorausgesetzt, man greift zu Griffel und Filzer und macht sich daran, ein Wappen, sein eigenes Wappen der Partie zu Papier zu bringen. Das ist ein verlockendes Spiel-Ziel und der Weg dahin macht einigen Spaß. Man sollte allerdings nicht den Fehler begehen, sich inmitten der Fülle von 144 (Deluxe Edition) Zeichen, Symbolen, Fabelwesen, Farben, Schnitten und Teilungen von der Ästhetik leiten und seine taktischen Spielentscheidungen vom eigenen Gestaltungswillen diktieren zu lassen. »Blazon« ist und bleibt ein kompetitives Spiel und ist keine Malstunde! Dabei kommt wie bei Kartenspiel-Glücksrittern im US-Wüsten-Babylon Las-Vegas-Stimmung auf: Wie beim Zocken am grünen Tisch werden in »Blazon« Karten aufgenommen und abgelegt. Das zentrale Main-Board ist dabei wie ein Kartenspender. Super-wichtig: Verdammt gut mischen! Weil das wohl manchmal nicht gut klappt, gibt es die Regeln, 1. die gesamte offene Kartenauslage – kostenfrei – jedesmal dann auszutauschen, sobald drei Karten gleichen Typs ausliegen oder aber 2. unter Anwendung einer der »Herald Actions« und nach Zahlung eines »Herald Tokens« diesen Komplettaustausch vorzunehmen. Letztere Regel ist nur eine der möglichen Aktionen, die in der erwähnten Darstellungsform ganz ohne Worte auf dem Spielbrett info-grafisch erläutert werden. Entsprechend grenzwertig angefüllt mit Pfeilen, Symbolen und allerlei Filigran-Skizzen ist dieses Haupt-Brett. Man kann es als wirr empfinden, zumal, wenn man gezwungen ist, es kopfstehend zu betrachten, sitzt man an der »falschen« Tischseite. Da wünschten wir uns zusätzliche Kurzanleitungen als Spielhilfen pro Spieler. Die Multifunktionalität des Haupt-Tableaus ist sonst durchaus elegant und praktisch gestaltet: In Burgmauer-Zinnen, unter welche die variablen Destinction cards geschoben werden, legt man kleine Wertungswürfel ein. Die zwei Kartenvorräte haben ihren Platz, die Positionen der Ablagestapel und Auswahl-Auslagen sind markiert. Das aufgeschlagene Wappenbuch breitet die Info-Grafik vor uns aus. Das ist schön und thematisch. Multifunktional und mit reichlich Info-Grafik auch die Karten. Die heraldischen Insignien, die Einzelteile des späteren Wappensschildes, sind zugleich »Ware« wie Zahlungsmittel, zugleich Siegpunkt wie Währung. Die zehn Ablageorte auf jedem Spielertableau bergen die zentrale Idee von »Blazon«: Dadurch, dass bei neun Ablageplätzen eine Verschiebung der Karte möglich ist, ergeben sich hier zwar 18 Möglichkeiten, eingeschränkt aber durch das Verbot, in ein und derselben Reihe die Karten (nach oben oder unten) verspringen zu lassen. Folglich legt man mit der ersten abgelegten Karte in einer Horizontalreihe die Karten-Art der weiteren zu belegenden Plätze fest. »Etappen-Siege« auf der Wertungsleiste der Spieler-Tafeln erwirtschaften Boni, »Herald Tokens« (Feder in Tintenfass) ermöglichen wichtige Sonderaktionen oder die Modifizierung der »Kaufpreise«, eine Vielzahl unterschiedlichster Sets von Bedingungen gilt es zu erfüllen, um in der Endabrechnung sein Ergebnis final zu boostern. Die fünf großen Holz-Wappentiere als Trophäen für Teilerfolge sind imposante Schauwerte und ein wenig zu aufgeblasen. Erhält man Letztere (beim Erreichen von 10, 20, 30, 40 u. 50 Prestigepunkten), gibt es für alle anderen, die in die Röhre gucken, jeweils als Trostpreis ein Tintenfass. Mit diesen Markern und anderen Effekten gelingen zusammen mit kluger Ablage und Auswahl aus der Auslage und ohne viel Glück und Zufall geniale Ketten-Züge von hohem Punktertrag. Wer geschickt ist, zieht schnell davon und wird uneinholbar, dann nämlich, wenn die Kontrahenten ihre Pläne nur in mehreren Zügen verwirklichen können. Da pro Zug nur ENTWEDER das Karten-Nachziehen ODER das »Blasonieren« auf dem eigenen Schild erlaubt ist und pro Zug NUR EIN »Herald Token« angewendet werden darf, ist manches Ziel nur in mehreren Schritten erreichbar und ein Überholmanöver bzw. das Einfangen eines Davongezogenen keine leichte Aufgabe. Man rennt oft seiner eigenen Strategie hinterher. – Weil es fordernd und spannend ist und Spielhandlung und -verlauf sehr getragen und meditativ sind und an Kartenspielklassiker erinnern, hat »Blazon« etwas Erhabenes. Seinem schweren, dunklen und leicht muffig erscheinenden Thema wird es daher auf besonders würdevolle Art in höchstem Maße gerecht.

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