Rezension von Mauna Kea


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von HUCH & friends bereitgestellt wurde.)

Rezension

Mauna Kea
Brettspiele, die man als Kind oder angehender Jugendlicher spielt, haben mitunter das Potenzial, in den Erinnerungen von erwachsen gewordenen Menschen episch verklärt zu werden. Bei mir sind dies beispielsweise Spiele wie Monopoly, Wild Life, Hotel oder auch Risiko. Was man eben so spielt, wenn man jung ist und die Linie des Horizonts noch nicht im Blickfeld erschienen ist. Ich erinnere mich noch gut an einen Silvesterabend, an dem wir Kinder nichts anderes getan haben, als drei Partien Hotel zu spielen. Stundenlang. Noch Jahre später war für mich Hotel ein unglaublich gutes Spiel, welches man unbedingt besitzen musste. Würde jemand heute die oben genannten Spiele vorschlagen, so würde ich schnell das Weite suchen. Dieses Phänomen existiert ebenso bei Filmen oder Literatur. Führt man sich diese Kinderträume Jahrzehnte später noch einmal zu Gemüt, so wünscht man sich oft, man hätte bloß die Finger davon gelassen und damit nicht die Kindheitserinnerungen zu Fall gebracht. Was hat dies nun mit Mauna Kea zu tun?

Thema und Ziel des Spieles
Als Archäologen suchen wir alte Artefakte, die auf der Insel Hawaii verstreut liegen. Plötzlich bricht der Vulkan Mauna Kea aus und droht die Insel mit seiner Lava zu überfluten. Wer die meisten Artefakte und Archäologen in die rettenden Boote am Strand bringt, gewinnt!

Spielablauf
Wir starten mit unseren Archäologen direkt unter dem Gipfel des Mauna Keas. Bin ich an der Reihe, so ziehe ich so lange Inselplättchen mit Fußabdrücken von eins bis drei aus dem Nachziehsack, bis die Summe meiner gezogenen Fußabdrücke fünf oder höher ist. Ziehe ich dabei statt eines Insel- ein Lavaplättchen, so lege ich dieses an einen der vier gleich gekennzeichneten Lavaströme, die von dem Vulkankrater in der Mitte der Insel ausgehen. Alles, ob Archäologe oder Artefakt, was unter Lava verschwindet, ist perdu. Mit den gezogenen Inselplättchen bahne ich mir nun den Weg über die Insel. Entweder ich lege sie auf den Inselspielplan oder ich nutze die Anzahl der Fußabdrücke, um diese als Bewegungspunkte für die Flucht in die Boote einzusetzen. Ein normales Urwaldfeld kostet mich 1 Bewegungspunkt, ein Wasserfeld 2. Gebirge sind tabu, genauso wie Felder, auf denen sich schon ein anderer Archäologe befindet. Die Plättchen, die wir als Bewegungspunkte einsetzen, kommen wieder zurück in das Nachziehsäckchen. Sobald ein Spieler keine Archäologen mehr besitzt, sei es, weil sie von der Lava verschlungen wurden oder sie in den Booten sitzen, so wird die Runde noch zu Ende gespielt und im Anschluss folgt die Wertungsphase. Gerettete Archäologen zählen drei Punkte, weiße Artefakte einen, graue zwei Punkte und schwarze zählen drei Punkte.

Soweit die Grundversion. Die Version für Fortgeschrittene funktioniert nach demselben Prinzip, nur dass die für Bewegungen benutzten Inselplättchen nicht wieder in den Nachziehsack, sondern aus dem Spiel kommen und wir am Anfang vier Aktionskarten erhalten, die uns entweder bei der Punkteoptimierung helfen oder uns befähigen einmalig über alle angrenzenden Urwald-, Wasser- oder Gebirgsfelder zu laufen oder uns von einem Helikopter abholen zu lassen. Mehr Worte zu dieser Version muss hier nicht verloren werden, da ...

Gesamteindruck
... sie einfach nichts taugt. So krass kann man es einfach mal auf den Punkt bringen. Sie ist einfach nicht zufriedenstellend spielbar.

Dies liegt vor allem an den Aktionskarten, die zufällig gezogen werden und in ihrer Wertigkeit viel zu unterschiedlich sind. Die Bewegungskarten, die mir helfen mal eben ein ganzes Dutzend Inselplättchen zu überwinden, sind Gold wert, dagegen interessieren die Punktekarten überhaupt nicht. Da gibt es beispielsweise die Karte, die mir einen Punkt mehr bringt, wenn ich mit einem meiner Archäologen in ein grünes Boot hüpfe. Geschenkt! Ganz einfach, weil es schwer genug ist, überhaupt in eines der Boote zu kommen, da wird man sich nicht wegen eines Punktes ein Boot heraussuchen, sondern nehmen, was überhaupt möglich ist. Mit der "Helikopter-Karte" kann sogar ganz perfide vorgegangen werden. Diese berechtigt zum sofortigen Abholen eines Archäologen samt Artefakten, wobei nur das Artefakt bei Spielende gewertet wird. Mit dieser Karte kann man sich sofort mit einem Archäologen plus zuvor eingesammelter Artefakt(e) abholen lassen und die restlichen Forscher einfach so platzieren, dass sie möglichst schnell von der Lava überrollt werden – das Spiel endet dann schnell, weil ich keine Forscher mehr besitze, und lässt mich gewinnen, weil ich ja ein Artefakt besitze.

Aber auch im Grundspiel tauchen Probleme auf: Es ist nicht nur theoretisch möglich, dass einem Spieler schon bevor er zum ersten Mal am Zug ist, von der Lava sämtliche Figuren "gemopst" werden. Bei kurzen Spielen wie Love Letter ist dies kein Problem, bei Spielen, die ca. 60 Minuten dauern schon. Abhelfen kann man dem, indem die Inselplättchen immer erst am Anfang eines Zuges nachgezogen werden und in der ersten Runde wie beschrieben wieder zurückgelegt werden. Ungeklärt ist auch was passiert, wenn zwei Lavaströme frontal aufeinandertreffen oder ein Forscher von Lava eingeschlossen wird. Muss er aus dem Spiel genommen werden? Darf der Spieler, wenn es sich dabei um seinen letzten Forscher handelt, den konkurrierenden Forschern munter die Wege mit nachgezogenen Gebirgsketten verbauen? Was passiert infolgedessen, wenn keiner mehr einen seiner Forscher von der Insel bewegen kann? Alles Fragen, die in den ersten 2-3 Spielen auftauchen.

Diese deutlichen Redaktionsprobleme sind um so ärgerlicher, weil ich den zentralen Lavamechanismus richtig gut finde. Auch die grafische Gestaltung ist absolut gelungen und trägt die "Archäologen-Dschungel-Atmosphäre". Beim Material muss nur der viel zu kleine und schlecht genähte Nachzieh-Stoffsack bemängelt werden, der für den vorgesehenen Zweck nicht taugt. Von Runde zu Runde entsteht vor uns eine Insel mit Urwald, Seen und Gebirgszügen, durch die dann bald die Lava unaufhaltsam gen Tal rauscht und alles unter sich begräbt, was sich nicht frühzeitig in Sicherheit gebracht hat. Dabei habe ich es mehrfach in unterschiedlichen Runden erlebt, dass die Kinder nach Spielende das Spielfeld natürlich zu Ende auslegen wollten und am besten noch einmal im Anschluss daran das ganze Spielbrett einfach nur aus Spaß an der Szenerie. Die Zufallskomponente Lava-Mechanismus ist es, die sowohl Kindern, wie Erwachsenen Spielreiz und Freude zugleich schenkt: Erst den Urwald langsam entstehen sehen, sich auf die Jagd nach den Artefakten und einem freien Boot machen und gleichzeitig, so ganz herrlich destruktiv, Insel und Forscher von der Lava überrollen zu lassen. Wenn da nicht diese Regelprobleme wären, die Erwachsenen schnell die Freude wieder austreiben. Kinder merken dies mitunter nicht ganz so schnell, in der Altersstufe 6-10 ist das Spiel bei den Neffen meiner Freundin gar zum Dauerbrenner mutiert. Innerhalb von drei Tagen wurde ich zu 12 Partien "gezwungen". Und die habe ich tatsächlich gerne gespielt – ein weiteres Indiz für mich, dass in dem Spiel einiges Potenzial geschlummert hätte. Schade ist´s drum.

So bleibt ein Spiel, das vielleicht genau den eingangs beschriebenen Effekt auslöst: Es kann in Kindertagen zu einem tollen Abenteuerspiel verklärt werden, dass man im Erwachsenenalter am Besten nie wieder anfassen sollte, um sich diese tollen Erinnerungen zu erhalten!

Fazit
Mauna Kea schafft es trotz gravierender Regelmängel und -unklarheiten, Spielerunden mit Kindern zwischen 6 und 10 Jahren sehr gut zu unterhalten. Dieser Umstand kann aber nicht darüber hinwegtrösten, dass das Spiel für Erwachsene oder ältere Kinder sowohl in der Grund- als auch in der Fortgeschrittenenvariante so gut wie nicht spielbar ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich irgendwann ein anderer Spieleautor noch einmal diesem Mechanismus annimmt.



05. Juni 2014 - (jd)

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