Rezension von Der Rat von Verona


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Heidelberger Spieleverlag bereitgestellt wurde.)

Rezension

Der Rat von Verona
Zwei Häuser waren - gleich an Würdigkeit - Hier in Verona, wo die Handlung steckt, Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit, Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt. Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß Das Leben zweier Liebender entsprang, Die durch ihr unglückselges Ende bloß Im Tod begraben elterlichen Zank.

Thema & Ziel des Spiels
Shakespeares Romeo und Julia sind das berühmteste und zugleich tragischste Liebespaar der Welt. Die Hauptrollen spielen sie in Der Rat von Verona jedoch nicht. Wir können sowohl mit als auch ohne dem Liebespaar Punkte erzielen, in dem wir Personen in den Rat schicken oder ins Exil verbannen. Ob Romeo und Julia nun am Ende zusammen sind oder gar tot, viel wichtiger ist es, unsere Einflussmarker auf den richtigen Gaul in dieser Tragödie zu setzen.

Spielablauf
Wir wählen reihum eine Charakterkarte aus dem Kartenstapel, bis jeder 3 (bzw. 4 bei 4/5 Spielenden) Charakterkarten auf der Hand hat. Diese spielen wir nun ebenfalls reihum aus, wobei wir uns immer entscheiden, die ausgespielte Karte in den Rat von Verona oder ins Exil zu legen und ggf. die Pflichtaktion ausführen, die einige Charaktere besitzen. Graf Paris ermöglicht es bspw. unter zwei Einflussmarker zu schauen, mit der Amme dürfen wir einen Charakter aus dem Exil in den Rat verschieben. Anschließend dürfen wir verdeckt einen Einflussmarker auf eine beliebige der ausliegenden Charaktere mit Einflussfeldern im Rat oder im Exil legen. Haben wir alle Handkarten ausgespielt, so dürfen wir in einer abschließenden Runde noch einmal einen Einflussmarker auf eine der Karten legen, anschließend werden die Charaktere mit Einflussfeldern gewertet. Habe ich bspw. auf Romeo oder Julia Einflussmarker mit Punkten gelegt, so erhalte ich diese Punkte, wenn sie am Spielende beieinanderliegen (ob im Rat oder im Exil ist egal). Die männlichen Familienoberhäupter Capulet und Montague dagegen erzielen Punkte, wenn die Anzahl ihrer Familienmitglieder im Rat von Verona überwiegt.

Damit jede/r in der Spielrunde einmal Erster bei der Auswahl der Charakterkarten und Letzter beim Setzen der Einflussmarker war, spielen wir so viele Akte, pardon Durchgänge, wie Mitspielende in der Runde vorhanden sind. Es gewinnt der/die mit den meisten Punkten nach allen Durchgängen.

Geübten Spielern empfiehlt es sich, gleich mit der „Gift-Erweiterung“ zu spielen, die in der Kickstarter-Ausgabe des Spiels erst als Erweiterung hinzukam. Hier besitzt jeder zusätzlich einen Marker mit Gift- und Heiltrank. Besitzt ein Charakter vor der Auswertung mehr Marker mit Gift als mit einem Heiltrank, so ist er oder sie tot und wird nicht mehr in die Punkteauswertung mit einbezogen.

Gesamteindruck
Im vergangenen Jahr konnte Lover Letter in vielen Runden die Herzen der Spieler erwärmen: 16 Karten, superkurz, etwas gemein und dauernd Entscheidungen, die sich sofort auswirken. Ergab eine tolle Mischung. Der Rat von Verona ist gar nicht so viel anders: 17 Charakterkarten, ein paar Holzmarker pro Spielfarbe, kurze Runden, etwas gemein, ständig Entscheidungen und: bluffen, bluffen, bluffen. Fast könnte man sagen: Love Letter für Anspruchsvolle.

O wackrer Apotheker, Dein Trank wirkt schnell. - Und so im Kusse sterb ich.
Der Rat von Verona verbindet hervorragend das aus 7 Wonders und zuletzt Sushi go bekannte Kartendrafting mit dem Ich-denke-dass-du-denkst-dass-ich-denke-Prinzip. Zunächst stellen wir uns beim Drafting die Charaktere für die Runde zusammen. Schon da befinden wir uns in Entscheidungszwängen: Charaktere, die ich weitergebe, können sich die Mitspieler schnappen, diejenigen, die ich mir frühzeitig unter den Nagel reiße, können sich die aufmerksamen Mitspieler zusammenreimen. Anfangs ist es nicht ganz leicht sich aus 13 (bei bis zu vier Spielern) oder gar 17 Karten die gewünschten Charaktere auszusuchen, Neulinge kann dies schon einmal überfordern, auch wenn die Charakterkarten einer Familie immer jeweils ein Äquivalent in der gegnerischen Sippschaft besitzen und es damit nur 9 bzw. 11 verschiedene Karten gibt. Schon in der zweiten Partie verläuft das Aussuchen der Karten aber deutlich flüssiger. In Anschluss an das Drafting wird durch das Legen der Einflussmarker geblufft. Wohin legen die anderen ihre Marker? Wie verwirre ich die Mitspieler am Besten und locke sie aufs Glatteis?

Dreh dich in Schwindel, hilf durch Drehn dir wieder!
Mit gerade einmal 2-3 unterschiedlichen Einflussmarkern und zwei Gift- und Heiltrankmarkern bieten sich mit geschicktem Ausspielen der eigenen Karten in den Rat oder ins Exil verschiedenste Möglichkeiten, die Mitspielenden aufs Glatteis zu führen. Da ist es fast ein wenig egal, welche Charakterkarten man nach dem Drafting auf der Hand hält – irgendetwas lässt sich mit ihnen immer anfangen. Warum dann überhaupt draften? Weil sich so zielgerichteter verschiedene Bluffstrategien ausprobieren lassen. Auf diese Weise wird das Bluffen in den unterschiedlichen Runden, die eine Spielpartie beinhaltet, nicht nur davon geprägt die Mitspielenden mit dem gerade gesetzten Marker an der Nase herumzuführen, sondern ihm gleichzeitig zu verschleiern, welche der unterschiedlichen Taktiken ich gerade verfolge, um die alleinige Macht in Verona an mich zu reißen: wie in der Runde zuvor Romeo und Julia zusammenbringen und gleichzeitig für eine Capulet-Mehrheit im Rat sorgen? Oder doch lieber nur so tun als ob, Romeo auf den letzten Metern vergiften und so den anderen wertvolle Punkte stehlen und gleichzeitig mit den Montagues abräumen?

Sucht, späht, erforscht die Täter dieser Greuel!
Nicht ganz gelungen sind die Holzmarker, mit denen wir verdeckt Punkte oder Gift setzen. Ich persönlich ziehe prinzipiell immer Holz gegenüber Plastikmaterial vor, auch hier spiele ich gerne mit den etwas schwereren, hochwertigeren Holzmarkern. Das Problem ist nur, dass gerade bei den gelbfarbigen Markern die Holzmaserung so deutlich hervortritt, dass die Marker nach einigen Partien einwandfrei identifiziert werden können. Um dies zu vermeiden, hat sich der Verlag auch für die Rückseite kleine Aufkleber ausgedacht. Das Gelbe vom Ei sind diese aber auch nicht, da sie zunächst sauber, mittig und einheitlich auf den Holzmarker aufgeklebt werden müssen (das bekommt man gerade noch hin). Nach starkem Gebrauch kann so ein weißer Aufkleber aber auch dreckig werden und sich ablösen... Davon abgesehen hat der Verlag bei der Kartenillustration alles richtig gemacht. Allein wegen der exzellenten Illustrierung durch Mathieu Leyssenne greift man sehr gerne zu diesem Spiel, welches gegenüber der Illustration der ursprünglichen Kickstarter-Ausgabe von Crash Games deutlich verbessert wurde. Holzmarker und Spielkarten sind zudem in einer Spielschachtel, die kaum größer als eine Zigarettenschachtel ist, und passen so problemlos in die Hand- oder Jackentasche.

Fazit
Der Rat von Verona überzeugt bei Konzept, Spielprinzip, Dauer, Illustration, Schachtelgröße und Preis. Ein bisschen bluffen, ein bisschen meucheln – als kurzes Spiel für zwischendurch ist es mit der Gift-Erweiterung und einer eingespielten Runde eines der Highlights des Jahrgangs 2014/2015 in der Rubrik „Kleine Spiele“.



29. Juni 2015 - (Jan Drewitz)

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