Rezension von Die Legenden von Andor: Die Reise in den Norden


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von KOSMOS bereitgestellt wurde.)

Rezension

Die Legenden von Andor: Die Reise in den Norden
"Die Legenden von Andor: Die Reise in den Norden" von Michael Menzel ist die erste "große" Erweiterung für das Andor-Grundspiel, einem kooperativen Fantasyabenteuer. Nachdem die Spieler das Land Andor von oben bis unten bereist und dort (zunächst) alle Bedrohungen beseitigt haben, ist es nun an der Zeit, die bekannten Gefilden zu verlassen und in den eisigen Norden zu reisen.

Erneut müssen sich 2 bis 4 (mit Mehrspielererweiterung auch bis 6) Spieler zusammentun, um allerlei Abenteuer zu bestehen und gegen diverse finstere Kreaturen zu kämpfen. Nur gemeinsam können die Spieler allen Widrigkeiten trotzen und die einzelnen Legenden siegreich bestehen … oder elendig versagen.

Vorbereitungen & Ablauf:
Der Aufbau der Legenden ist immer unterschiedlich, daher hier die Kurzform: Auf den Legendenkarten steht immer beschrieben, welches Spielmaterial ihr für die gewählte Legende benötigt, wo Monster, Fallen & Kreaturen aufgestellt werden oder entstehen und mit welchen Startwerten die Helden das Spiel beginnen. Jeder Spieler erhält einen Helden (inkl. Pappminiatur, Heldenbogen und div. Markern), mit dem er das Spiel bestreiten wird.

Die Regeln sind sehr stark von der aktuellen Legende getrieben, daher hier nur ein kurzer Abriss der wichtigsten Grundregeln:
Das Spiel verläuft über diverse Runde ("Tage" genannt). Jeder Tag besteht aus Stunden (i.d.R. 7), in denen die Spieler reihum diverse Aktionen ausführen können, die unterschiedlich viele Stunden dauern. Haben alle Spieler ihren Tag "beendet" (d.h. die verfügbaren Stunden verbraucht), folgt die sog. "Sonnenaufgangsphase", in der vor allem die Monster gezogen werden, der Barde zurückgesetzt wird und die Legende fortschreitet.

Folgende Aktionen stehen den Helden zur Verfügung:
  • Bewegen: Die Helden können auf angrenzende Felder bewegt werden – dabei kostet jedes Feld eine Stunde auf der Stundenleiste. In der Erweiterung können die Helden mit dieser Aktion auch mit dem Schiff segeln.
  • Kämpfen: Jede Kampfrunde kostet den Helden ebenfalls eine Stunden. Mehrere Helden können auch zusammen kämpfen (dies kostet das jeden Helden eine Stunde). Der Kampf verläuft über den Vergleich von Angriffs- und Verteidigungswürfeln. Für das Besiegen von Monstern erhalten die Spieler Gold, Willen oder (neu in dieser Erweiterung) Ruhmpunkte für den Barden.
  • Sonstiges: Je nach Legende können die Spieler auch weitere Aktionen durchführen.
Neben diesen Aktionen, die Stunden verbrauchen, gibt es auch Aktionen, die die Helden "nebenher" ausführen können, z.B. Gegenstände aufnehmen oder tauschen, beim Händler einkaufen (Ausrüstung, Charaktererweiterungen und Schiffsausbauten) oder Brunnen leeren.

"Die Legenden von Andor" ist ein sehr stark aktionsgetriebenes Spiel, d.h. in jeder Legende gibt es unterschiedliche Gegenstände, Monster und Ausgangssituationen, auf die die Helden reagieren müssen. Auch die Startposition der Monster wird oft zufällig bestimmt.

Die Helden gewinnen das Spiel, wenn sie die speziellen Siegbedingungen der gespielten Legende erfüllt haben, der Barde nie auf Feld Null der Bardenleiste gezogen wurde und die Legende nicht vorher in ihre letzte Phase getreten ist.

Fazit
Los geht’s mit dem Spielmaterial: Was diese "Erweiterung" an Spielmaterial bietet, da können sich die meisten "regulären" Spiele eine Scheibe abschneiden. Ein riesiger doppelseitiger Spielplan (erneut hervorragend illustriert von Michael Menzel), 4 neue Legenden und unzählig viele Marker und Figuren. All das lässt sich auch gut in den mitgelieferten Plastiktüten sortieren – was auch dringend nötig ist, denn das Bereitlegen des Spielmaterials zu Legendenanfang ist genauso umfangreich wie im Grundspiel – leider ist die Sortierung der Feldnummern diesmal noch chaotischer ausgefallen.

Auch das Gameplay bietet mehr von all den bewährten Zutaten des Grundspiels. Die neuen Legenden sind auf dem gleichen Niveau, die neuen Monster noch bissiger und die Entscheidungsvielfalt noch höher. An dieser Stelle auch ein Wort zum Schwierigkeitsgrad: "Die Reise in den Norden" richtet sich nicht an Einsteiger – selbst die 1. Legende der Erweiterung ist knackig. Man sollte das Grundspiel beherrschen, ehe man sich an diese Erweiterung wagt. Der Schwierigkeitsgrad war auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich am Grundspiel üben musste – dies gilt uneingeschränkt auch für die Erweiterung. Man braucht schon eine gewisse Frustresistenz (und/oder einen Hang zu optimalen Planung), um alle Legenden mit den original Spielregeln zu bestehen. Auch der hohe Grad an Zufälligkeit (beim Platzieren von Objekten) kann für einigen Frust sorgen. Hier ist ein schmaler Grat zwischen Wiederspielbarkeit und "von Anfang an fast nicht zu gewinnen" – hin und wieder überschreitet die Erweiterung (aber auch schon das Basisspiel) diese Grenze. Auch sind die Legenden nicht in allen Spielerzahlen gleich gut & fair zu spielen. Es gibt aber genügend Raum für "Hausregeln", um den Schwierigkeitsgrad ggf. auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Wie gesagt, das Grundspiel sollte man beherrschen, ehe man in den Norden reist. Die neuen Legenden bieten diverse neue Spielelemente (z.B. den Barden, die Schiffsreisen oder das Ausbauen des Schiffs), die die Komplexität des Spiels deutlich nach oben schrauben. Kurzum: Es gilt noch mehr zu optimieren. Inhaltlich und Spieltechnisch sind die neuen Elemente aber gut integriert und man fühlt sich sofort "daheim" im Norden von Andor. Natürlich gibt es auch neue Gegenstände, die den Helden helfen, z.B. einen Kompass oder den Nixenstaub.

Ein letztes Wort zum Thema "Frust & Schwierigkeitsgrad": Oftmals entscheiden wenige Würfelwürfe über Sieg oder Niederlage – ein Umstand, der in manchen Spielgruppen durchaus zu Frust führen kann, wenn man ansonsten eigentlich alles gut gemacht hat. Daher richtet sich das Spiel in meinen Augen eher an Strategen als an Familien (außer die Familien lieben solche Optimierungsschlachten). Es gibt aber bereits einige offizielle Anpassungsmöglichkeiten für den Schwierigkeitsgrad.

Die Spieldauer (60 bis 90 Minuten) ist eher optimistisch (auch wenn eine Partie durchaus mal schnell vorbei sein kann) – bei uns dauerte eine Partie inklusive Aufbau im Schnitt ca. 2 Stunden. Der Preis von knapp unter 40 Euro ist für eine Erweiterung recht hoch – das enthaltene Spielmaterial und dessen Qualität rechtfertigt diesen Preis aber in allen Fällen. Das Spiel ist für 2 bis 4 Spieler ausgelegt – mit Erweiterung können aber auch bis zu 6 Spieler teilnehmen. Dabei ist aber erneut zu beobachten, dass die Balance nicht immer ausgeglichen ist – hin und wieder kann es hilfreich sein, wenn z.B. 2 Spieler jeweils mit 2 Helden spielen.

"Die Legenden von Andor: Die Reise in den Norden" bietet mehr von allem bekannten aber auch genügend Neuerungen, um Veteranen des Spiel zu beglücken. Das macht das Erweiterung auf jeden Fall zu einer Empfehlung für alle Spieler, die Spaß am Grundspiel hatten, und denen der recht hohe Glücksanteil und Schwierigkeitsgrad nichts ausmacht. Man kann viele spannenden Stunden im eisigen Norden verbringen.



27. April 2015 - (Thorsten Pohl)

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