CollectorsPlayground
Partien: 2 |
Kommentar vom 28.12.2018: Goldsiebers »Liebe & Intrige« von Ellen Maria Ernst und Kira Verena Samol betört zunächst durch den Glanz seiner Aufmachung und die Konsequenz, mit der es sein Thema »durchzieht«. Man merkt sofort: Dieses Ding ist mit großer Freude gemacht! Glanzvoll die Epoche, in die wir reisen, glanz-voll auch die vorherrschende Materialeigenschaft… »Liebe & Intrige« spiegelt beinahe zu stark – aber selbst das ist schon wieder stimmig. Es geht eben um Schönheit, Liebreiz und Eitelkeiten, Ansehen, Stolz und Stand, gebildet und ein-gebildet sein: 12 Töchter müssen unter die Haube – Mitte des 19. Jahrhunderts. 14 Herren unterschiedlicher »Qualität« stehen zur Wahl. Der Spielplan ist das Schlachtfeld der Liebe: Die Damen flanieren im Park, betreiben gepflegte Konversation auf dem Boulevard, verschönern sich in der (vor Mannsvolk sicheren) Schneiderei, zelebrieren das Sehen-und-gesehen-werden im Theater, gelangen zu Ansehen durch edles Tun im Armenhaus oder kommen in der Spelunke unter die Räder. Das alles ist so schlüssig und stimmig erdacht und in Szene gesetzt, dass man aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt. Mehr noch: Die Interaktion und Konversation am Spieltisch bekommt derart amüsanten Zündstoff allein durch das Thema und die Kulisse des Spiels, dass großes Vergnügen entsteht.
Erdacht haben diesen Spaß zwei Frauen. Mathematikerinnen. Und irgendwie fragt man sich plötzlich, ob männliche Spieleerfinder auf dieses Sujet gekommen wären. Sicherlich in deutlicher Überzahl sind die Spiele, in denen Rohstoffe erwirtschaftet, Gebäude errichtet, mit Gütern gehandelt und Siedlungen gegründet werden müssen. Wie erfrischend ist es hier, ein kleines »Quasi-Siedler-von-Catan« vor sich zu haben, in dem die Rohstoffe Ansehen, Schönheit und Bildung sind und jongliert und taktiert wird mit Menschen und deren Eigenschaften. Haben wir je so sehr gelacht beim Verwerten oder Verzocken von 3 Holz, 2 Ziegel und 1 Erz? Nein. Konnten wir am Spieltisch derart zotig kalauern über Häfen, Minen und Wasserleitungen, Seuchen, schlechte Ernten und Raubzüge, wie hier über den Casanova, den Lateinunterricht, die Alkoholvergiftung oder den Arzt, der Schlimmeres verhütet? Nein. Die Charaktereigenschaften eines Jungspundes wie Cornelius zu Neubronn oder die Qualitäten einer Tochter Henriette vermögen als »Rohstoff« die Stimmung in der Spielrunde ordentlich anzuheben, mehr vielleicht als schnöde Handelsgüter.
Fast möchte man es noch bissiger haben, noch frecher: Die Ereigniskarten könnten mehr Feuer haben, gerade jene, die Kontrahenten Schwierigkeiten bereiten. Von ihnen könnte zudem mehr Auswahl zur Verfügung stehen. Die spionierende Zofe, die (treffend!) das Durchsehen von Herrenkarten-Stapeln erlaubt, ist zu oft vorhanden. Karten für direkte Interaktion sind zu selten. Dennoch macht alles Sinn: Die Orte auf dem Spielplan werden schlüssig charakterisiert und mit Möglichkeiten ausgestattet, wie etwa die »Spelunke«, wo zwar viele Herren anzutreffen sind (7 Karten), jedoch auch Trunkenheit und die Avancen des lüsternen Casanova für sozialen Abstieg und angekratztes Ansehen sorgen können.
»Liebe & Intrige« ist insgesamt ausgewogen, ein freundliches, gewinnendes Spiel, nicht sonderlich komplex, aber in seiner Einfachheit und den Facetten seines Themas begeisternd. Sein entscheidendes Plus ist zweifellos der Kicher-Faktor, die Heiterkeit, die es beflügelt und das Zoten-Potenzial, das es birgt – und das nicht nur beim »historischen Gesellschafts-Roulette« von Vätern und Töchtern.
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