Rezension von Artifact


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag White Goblin Games bereitgestellt wurde.)

Rezension

Artifact
Artifact ist nach Alea Iacta Est die zweite Zusammenarbeit von Bernd Eisenstein und Jeffrey D. Allers. Besonders nach Allers Spiel Citrus , welches mir als Zweipersonenspiel besonders gut gefallen hat, war ich auch wegen des Archäologie-Themas sehr neugierig auf Artifact.

Thema und Ziel des Spieles
Wir liefern uns Anfang des 20. Jahrhunderts als Archäologen und Museumskuratoren mit den anderen Spielern ein Wettrennen um begehrte archäologische Artefakte rund um den Globus. Es gilt, bestimmte Fundstücks-Kombinationen vor den anderen zusammenzutragen und ins Museum zu bringen.

Spielablauf
Nach einer "weiteren Spielvorbereitung", in der die Spieler durch das Platzieren erster Forschungs-Hütten erste Weichenstellungen für den Spieleinstieg legen, werden in jeder Spielrunde die Phasen Einkommen, Aktionen und Rundenende abgehandelt. Das Einkommen richtet sich nach einer Einkommensleiste und wird immer weniger, wenn die auf dieser Leiste liegenden Ausstellungsplättchen mit durchgeführten Ausstellungen von Spielern erfüllt worden sind. Einkommen benötigt man dringend, um bei der folgenden Aktionsphase Forschung zu betreiben (Hütten auf Erdteile einsetzen), Arbeiter anzuheuern (Arbeiter auf einen Erdteil platzieren, in dem eigene Hütten stehen), Fundstücke zu verschiffen (Artefakt-Karten aus eigenen Forschungsgebieten per eigenem Schiff auf die eigene Hand verschiffen), Fundstücke kaufen oder verkaufen (Artefakt-Karten auf dem Schwarzmarkt kaufen oder an diesen verkaufen, wofür man wiederum Schiffe benötigt) und Ausstellungen durchzuführen (Artefakt-Karten von der Hand auslegen und dafür punkteträchtige Plättchen nehmen). Für alle Aktionen sollte man erstens ausreichend liquide sein und zweitens sich am Ende der letzten Runde ausreichend mit Arbeiter-, Museums- und Schiffsfiguren eingedeckt haben, denn beides benötigt man für die Aktionen. Entweder führt man eine oder zwei Aktionen durch. Kann oder will man keine durchführen, so passt man und darf dann immer, wenn man im weiteren Rundenverlauf wieder an der Reihe ist, neue Museums-, Arbeiter oder Schiffsfiguren nehmen oder tauschen, um so den noch aktiven Spielern die Aktionen teuer zu machen oder sogar zu vereiteln. Haben alle gepasst, so ziehen nun alle Spieler für die kommende Runde bis auf sechs Figuren nach. Das Spielende wird durch verschiedene Bedingungen ausgelöst, meistens, weil alle Fundstücke von einem Stapel gezogen oder genügend Ausstellungen von zwei Ausstellungstypen durchgeführt wurden. Dann gewinnt, wer durch seine Ausstellungen das meiste Prestige erreichen konnte.

Wem dies noch nicht reicht, der kann diese Grundversion mit zwei oder einer der beiden schon beiliegenden Erweiterungen kombinieren. Während bei der Erweiterung "Forschung" mehrere "Leiter-Leisten" hinzukommen, bei denen wir über die Nutzung der Aktion Forschung höher kraxeln können und am Ende Bonuspunkte erhalten, je nachdem welche Position wir dort besitzen, können bei der Erweiterung "Städte & Archäologen" Sonderfunktionen von Charakteren und Ausstellungsstädten in Anspruch genommen werden, die uns bei den unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten unter die Arme greifen.

Gesamteindruck
Artifact besitzt ein stimmungsvolles Cover, welches in Indiana Jones-Optik Lust auf das Spiel macht. Die Dicke des Spielschachtelkartons setzt sich erfreulicherweise ab von den handelsüblichen Spieleschachteln, die schon nach einem Transport im Rucksack abgestoßene Ecken besitzen. Einziges Manko am Spielmaterial sehe ich in den Forscherfiguren: Diese sind scheinbar extra für das Spiel aus Holz in den verschiedenen Farben der Kontinente hergestellt worden und zeigen mit ganz viel Fantasie einen Forscher mit Tropenhelm und einer Spitzhacke in der einen Hand. Mich erinnert die Figur jedoch viel mehr an die Kopfsilhouette von Franz Gans, bekannt als der etwas korpulentere Vetter mit der blauen Mütze von Donald Duck. Nicht nur erkennt man keinen Forscher in den Figuren, diese sind auch noch extrem wacklig auf den Beinen, was äußert ungünstig ist, da diese jeweils 10 Figuren vor Spielbeginn dicht an dicht gedrängt auf ihren Felder arrangiert werden müssen und wahrlich Fingerspitzengefühl von Nöten ist, um beim Nachziehen der Figuren keinen Forscher-Strike zu landen. Ein weiteres Manko ist die Spielanleitung, die zwar versucht, die Reihenfolge des Spielverlaufs abzubilden, aber mehr als umständlich beschrieben ist. Bei wem auf Seite 2 unter "Weitere Spielvorbereitung" eine dritte Handlungsanweisung fehlt und außerdem kein Errata beiliegt, findet eine korrigierte Spielanleitung bei White Goblin Games.

In Artifact stecken einige gute Ideen. Da ist die Einkommensleiste, die immer weniger Einkommensgeld ausspuckt, je mehr die dort liegenden Ausstellungsplättchen erfüllt werden, so kann das Einkommen für die Mitspieler verringert und gleichzeitig das Spiel schneller gemacht werden (wird das letzte Einkommensplättchen genommen, endet das Spiel) – nur leider bringen genau die dort liegenden Ausstellungsplättchen sehr viel weniger Punkte als auf den anderen Feldern. Ich würde mir also ins eigene Bein schießen, wenn ich mir weniger Punkte nehme und gleichzeitig das Spielende früher herbeiführe. Da ist zum anderen das Taktieren um die Arbeiter- und Schiffsfelder, bei denen der richtige Zeitpunkt abgepasst werden muss, um sich die Aktion leisten zu können – nur leider ist vollkommen vorhersehbar, dass sich ein Spieler sofort die Artefakt-Karten nimmt, sobald ein zweiter Spieler in die Länderregion setzt, weil er dort als alleiniger Spieler eine Karte weniger ziehen dürfte.

Dieser merkwürdige Mechanismus, dass reihum schon zur Spielvorbereitung und dann jeweils am Rundenende Figuren nachgezogen werden, durch die meine gesamten Aktionen in der nächsten Runde bestimmt sind, für die ich dann aber eventuell nicht genügend Geld besitze, hat noch jede meiner Spielrunden dazu gebracht, weitere Partien mit Artifact abzulehnen. Weder lässt er sich gut durch eine thematische Logik verinnerlichen, noch fühlt er sich richtig an. Auch nach Wochen bin ich nur bis zur zweiten Erweiterung gekommen. Die Mechanik macht es gleichzeitig so gut wie unmöglich, gleich mit den Erweiterungen zu spielen, da sie in mindestens einer Partie verinnerlicht werden muss.

Fazit
Das Spiel löst durch das stimmungsvolle Design und Material den Wunsch aus, in diese Welt Anfang des 20. Jahrhunderts hinzuschlüpfen, Artefakten hinterher zu jagen, sie auf dem Schwarzmarkt zu hehlen oder sich dort mit dringend Benötigten einzudecken, um anschließend den Wettkampf um die besten Ausstellungen auszutragen. Doch bis dahin kommt man nicht. Die Mechanik löst keinerlei Emotionen aus und am Ende verspürt man nicht den Wunsch das Spiel noch einmal auf dem Tisch zu haben. Schade.



14. November 2014 - (Jan Drewitz)

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