Rezension von Beasty Bar


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Zoch Verlag bereitgestellt wurde.)

Rezension

Beasty Bar
Montags vor der ersten Schulstunde war es in der Oberstufe stets das drängendste Thema, wer am Wochenende wie stark alkoholisiert sich die unterschiedlichsten und zum Teil unmöglichsten Dinge geleistet hatte und deshalb aus dem Etablissement seiner Wahl herausgeflogen war. In diesem Zusammenhang wurde natürlich auch thematisiert, wer es aus der Jahrgangsstufe nicht geschafft hatte, beispielsweise mit seinem Mageninhalt die Tanzfläche zu bohnern oder öffentlich die Hosen herunterzulassen, weil er nämlich gar nicht erst in die angesagten Schuppen der Stadt hineingekommen war. Auch wenn es komisch ist, die Schmach war für Letztere ungleich höher als für diejenigen, die aktiv für ihren Rauswurf verantwortlich waren, denn wer nicht einmal rein kam, war der Oberdepp. Und Oberdepp ist niemand gerne.

Thema & Ziel des Spiels
Jede/r von uns besitzt einen Kartenstapel voller Partylöwen. Nein, falsch, jeder besitzt nur einen Partylöwen und eine Handvoll anderer Tierchen, aber jedes davon möchte ein Partylöwe werden, mindestens. Es gewinnt, wer von uns die meisten Tiere in den angesagtesten Club des Tierreiches bringen kann, das Heavens Gate. Doch zwischen unseren Tieren und dem Himmel auf Erden ist nur ein Problem. Das Problem heißt Türsteher und dieser ist wie immer ein leibhaftiger Gorilla.

Spielablauf
Alle mischen ihren Kartenstapel, der jeweils dieselben zehn verschiedenen Tiere mit den Nummern von 1 bis 10 enthält. Reihum spielen wir eine unser vier Handkarten aus und reihen das Tier ganz artig am Ende der Warteschlange vor dem Karten“eingang“ des Heavens Gate ein. Nun wird zunächst die individuelle Fähigkeit des gerade ausgespielten Tieres ausgeführt und anschließend einige „ständige“ Eigenschaften einiger Tiere in der aktuellen Schlange. Jedes der zehn Tiere besitzt nämlich so seine eigenen Strategien, sich in der Warteschlange zu verhalten: So drängt sich das Nilpferd „ständig“ an allen zahlenmäßig schwächeren Tieren zum Eingang vor, die Schlange dagegen ordnet alle sich in der Warteschlange befindlichen Tiere nach ihrer Stärke, die Robbe wiederum vertauscht einfach die Eingangs- mit der Gossenkarte. Liegen insgesamt fünf Tiere in der Warteschlange aus, lässt der Türsteh-Gorilla die ersten zwei hinein, das letzte Tier der Schlange befördert er dagegen mit einem ordentlichen Fußtritt in die Gosse und die Warteschlange beginnt sich erneut zu füllen. Zuletzt ziehen wir eine Karte nach, solange, bis wir alle keine Handkarten mehr besitzen. Bei Spielende erhält jede/r für seine Tiere im Club jeweils einen Siegpunkt.

In der Variante für Fortgeschrittene sortieren wir vor Spielbeginn vier Tiere aus unseren Handkarten aus, denen wir es diesmal nicht zutrauen, in den Club zu gelangen. Am Spielende erhalten die Tiere, die erfolgreich waren je nach ihrer Stärke 2-4 Siegpunkte.

Gesamteindruck
Stefan Kloß war 2014 für das Spieleautorenstipendium der Jury Spiel des Jahres nominiert, welches jährlich in Göttingen vergeben wird. Beasty Bar ist sein erstes veröffentlichtes Spiel und hat es rein ärgertechnisch in sich. Das Spiel zieht seinen Reiz daraus, den anderen durch Auslegen der eigenen Tierkarten einen Strich durch die Rechnung zu machen – viel Taktik ist da nicht dabei, was aber auch nicht schlimm ist. Da macht es auch nichts, dass es gar nicht mal so selten vorkommt, dass niemand seine Tiere in die Partyhöhle bringen konnte und damit keiner gewonnen hat. Die Auswahl aus lediglich vier Karten geht schnell von der Hand, wenn man erst einmal in einer Partie die unterschiedlichen Fähigkeiten kennengelernt hat. Vielspielern können die Tiere ohne Probleme zu Beginn einmal nacheinander erläutert werden, bei Menschen die weniger häufig spielen oder Jüngeren kann dies dagegen schon schwieriger werden, weil sie durch die vielen Fähigkeiten überfordert werden, gleichzeitig aber die visualisierten Charaktereigenschaften auch nicht selbsterklärend sind, in einem Falle sogar eine zweite Eigenschaft schlicht vergessen wurde. Hier empfiehlt es sich, einfach eine Proberunde zu spielen und durch die Praxisanwendung die verschiedenen Fähigkeiten der Tiere kennenzulernen. Das ist, was die Spielmechanik angeht, das einzige, was mich etwas stört: Das Spiel richtet sich eher an Menschen die weniger spielen, diese müssen aber zunächst die Hürde überwinden, alle zehn Charaktereigenschaften kennenzulernen. Trotzdem: Hat man dies erfolgreich gemeistert, spielen alle gerne mehrere Runden hintereinander. Dies sei auch deshalb empfohlen, damit jede/r einmal Startspieler/in werden kann, denn zu Beginn die erste Karte legen zu müssen, ist schon ein kleiner Nachteil und endet meist zwischen den Zähnen eines Krokodils oder in der Gosse bei den Ratten. Beasty Bar hat nicht viel mit Taktik zu tun, mit der Zielgruppe und der Spieldauer muss es das aber auch nicht, man schließt es trotzdem schnell ins Herz. Einen großen Anteil an dem sympathischen Spielempfinden haben die Tier-Illustrationen von Alexander Jung, der es geschafft hat, jedem Tier, obwohl keines von stereotypen Fähigkeiten verschont geblieben ist, in liebenswürdiger Weise ein stolzes Aussehen zu geben, selbst bei der XXXXL-Wampe des Nilpferdes, dem furzenden Stinktier und der Ordnung liebenden Brillenschlange.

Trotzdem dürfen ein, zwei negative Dinge nicht unerwähnt bleiben. Sehr unverständlich ist es, warum auf der Affenkarte vergessen wurde, die zweite Eigenschaft zu visualisieren, das hätte jeder Redaktion eigentlich auffallen müssen. Überhaupt sind die Visualisierungen der Fähigkeiten eher kryptisch denn eine gute Erinnerungsstütze. Etwas umständlich ist es außerdem, dass nur eine Übersichtskarte mit den Kurzregeln und den Punkten für die Variante für Fortgeschrittene beiliegt. Gerade diese unterschiedlichen Punkte hätte man bestimmt auch noch individuell auf den Tierkarten unterbringen können (vielleicht sogar als Zahl auf der Kleidung, als Kette oder Tattoo), so dass man diese nicht ständig nachschlagen muss.

Nichtsdestotrotz wird das Spiel bei uns immer wieder gerne auf dem Tisch landen: Als Aufwärmer, als Absacker oder einfach mal nur so für zwischendurch zu zweit. Allerdings nur noch mit unserer Hausregel.

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Sehr empfehlenswerte Hausregel: Wie in der Variante für Fortgeschrittene sortiert zu Beginn jede/r vier Karten seiner Wahl aus. Anstatt zu Mischen und immer zufällig Karten nachzuziehen, nimmt jede/r alle Karten von Beginn an auf die Hand und hat so bei jedem Ausspielen alle Karten dafür zur Verfügung. Die Punkte am Spielende werden nach der Tabelle der Übersichtskarte bestimmt. Funktioniert hervorragend auch zu zweit und wird bei uns nur noch mit dieser Regel gespielt, weil es in dieser Variante sehr darauf ankommt, einzuschätzen, welche Tiere die anderen mit ins Spiel nehmen und gleichzeitig den richtigen Zeitpunkt zu finden, die eigenen auszuspielen.
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Fazit
Stefan Kloß hat mit Beasty Bar einen sehr beachtenswerten Erstling vorgelegt, den man vor allem wegen seiner liebenswerten Tierillustrationen schnell ins Herz schließt. Da entschuldigt man gerne die kleinen redaktionellen Fehler, die bei der Produktion hätten vermieden werden können. Gerade Menschen, die weniger spielen, kann man mit Beasty Bar locken, alle anderen sollten recht schnell auf die oben beschriebene Hausregel zurückgreifen, dann hat man auch länger seine Freude daran.



09. Februar 2015 - (Jan Drewitz)

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