Rezension von Alchemist


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Amigo-Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Die Alchemie (auch Alchymie oder Alchimie) ist laut Wikipedia ein alter Zweig der Naturphilosophie und wurde im 17./18. Jahrhundert nach und nach von der modernen Chemie und Pharmakologie abgelöst. Genau dieses mystische Thema nimmt sowohl das Cover, als auch das Spielbrett von Alchemist sehr schön auf. Die grafische Gestaltung des Spiels gefällt schon mal. Der Rest des Spielmaterials ist quasi schon (hoher) Standard: dicke Marker und diverse Holz-Würfel bzw. -Steine. Weiterhin noch für jeden Spieler einen kleinen Sichtschutz sowie einen Stoffbeutel. Insgesamt schönes Spielmaterial, was Amigo hier anbietet - auch wenn die Schachtel etwas überdimensioniert wirkt. Das Spielmaterial kann man im Plastik-Inlet unterbringen, das zwar nicht genau auf dieses Spiel zugeschnitten ist, aber alles Spielmaterial problemlos und gut unterbringt.

Die Anleitung ist mit 4 (DinA5-) Seiten recht kurz, schön gestaltet und mit diversen Illustrationen gut beschrieben. Die Spielregeln scheinen recht "übersichtlich" - beim ersten Durchlesen sind zumindest keine Fragen offen geblieben.

Thema & Ziel des Spiels
Der Name "Alchemist" deutet es an, es geht bei dem Spiel um das brauen von Zaubertränken und dunkle Magie. Insgesamt 10 Braukessel stehen zur Verfügung und wer des Mitspielers Zaubertrank abkupfert, muss dafür bezahlen. Für schwere Zaubertränke bringen natürlich mehr Ruhm ein als einfache und wer am Ende den meisten Ruhm geerntet hat, gewinnt den Wettstreit.

Spiel-Vorbereitungen
Neben das Spielbrett werden die Ruhmesplättchen und die Insignien gelegt. Jeder Spieler bekommt neben einem Sichtschirm 6 (runde) Siegelsteine in seiner Farbe. Einen dieser Steine legt man auf die Null der Ruhmesleiste. Je nach Spielerzahl kommt nun eine bestimmte Anzahl an Ingredenzien in den Beutel und eine bestimmte Anzahl neben das Spielbrett als allgemeiner Vorrat. Aus dem Beutel zieht nun jeder Spieler verdeckt 12 Zutaten sowie eine der Schulen-Karten.

Spielablauf
Das Spiel geht reihum. Jeder Spieler kann nun eine von drei möglichen Aktionen ausführen:
  • Neue Rezeptur entwerfen
  • Bestehende Rezeptur kopieren
  • passen


Neue Rezeptur entwerfen
Solange es noch mindestens einen freien Kessel gibt, kann ein Spieler eine neue Rezeptur entwerfen. Dabei werden 1 bis 5 Zutaten auf die 5 weißen Felder auf dem Kessel gelegt - dies ist das neue Rezept, das aber nicht in dieser Zusammensetzung bereits entworfen sein darf. Die 2 Zutaten, die oberhalb des Kessels abgebildet sind, dürfen dabei ebenfalls nicht verwendet werden und jede Zutat darf maximal 2x verwendet werden.

Auf das Runde Feld des Kessels kommt ein eigener Siegelstein. Dann wählt der Spieler ein beliebiges (bisher unbenutztes) Ruhmesplättchen aus und legt es zwischen die 2 Zutaten oberhalb des Kessels und rückt seinen Zählstein um so viele Felder vor, wie das Ruhmesplättchen zeigt. Weiterhin erhält er die zwei Zutaten, die oberhalb des Kessels abgebildet sind.

Bestehende Rezeptur kopieren
Ein Spieler kann nur fremde Rezepte kopieren. Dafür nimmt er die vorgegebenen Zutaten - diese werden alle bis auf eine, die sich der Erschaffer des Rezepts nehmen darf, aus dem Spiel genommen. Der aktuelle Spieler erhält nun ebenfalls die über dem Kessel angegebene Anzahl an Ruhmespunkten sowie die beiden oberhalb des Kessels angegebenen Zutaten.

Passen
Der Spieler nimmt sich eine beliebige Zutat aus dem offenen Vorrat oder zieht 2 aus dem Beutel.

Das Spiel endet, wenn vor dem Spielzug des allerersten Startspielers 3 oder mehr Zutaten im offenen Vorrat aufgebraucht sind. Dann findet die Schlusswertung statt. Jeder Spieler erhält nun noch 1 Punkt für je 2 Zuataten, die er noch besitzt. Nun legen alle Spieler ihre übrig gebliebenen Zutaten in den offenen Vorrat zurück. Die Schule, vor deren Zutat am wenigsten Würfel übrig sind, belegt den 1. Rang, usw. Es werden aber nur Zutaten gewertet, deren Schulen von Spielern vertreten werden. Nun erhalten die Spieler der betreffenden Schulen noch Ruhmespunkte für diese Ränge - je nach Spielerzahl unterschiedlich.

Gewonnen hat, wer nun die meisten Ruhmespunkte besitzt.

Fazit
Tja, ein Spiel über dunkle Magie, das es einem schwer macht ein passendes Fazit zu schreiben. Warum? Weil ich auch nach mehr als 5 Partien noch nicht wirklich einschätzen kann, ob es mir gefällt, oder ob nicht. Daher will ich einmal die positiven und negativen Punkte auflisten, die uns aufgefallen sind:

Ich fange mit den (in meinen Augen) weniger gelungenen Dingen an. Das Spiel wirkt nicht nur auf den ersten Blick recht abstrakt und die Spielmechanik, die ein Spieler verfolgen sollte, bleibt lange im Dunkeln. Das liegt vermutlich an mehreren Tatsachen. Zu allererst sorgt die Tatsache für Verwirrung, dass man als Spieler selbst bestimmen kann, wie viele Punkte einem selbst (und später für die Nachahmer) ein neu kreierter Trank bringt. Es ist schwer einzuschätzen, ob man einem einfachen Trank viele oder wenige Punkte geben sollte - ebenso bei komplizierten Tränken (= mit vielen Zutaten); viele Punkte oder wenig. Weiterhin sind die Regeln recht offen gehalten, es gibt nur wenige Leitlinien, an denen sich Spieler orientieren können. Weiterer Punkt ist die geheime Zuordnung der Schulen, bei der jeder Spieler versuchen muss, dass die farblich einem zugeordneten Zutaten möglichst schnell aufgebraucht werden. All das sind Punkte, die auch nach mehreren Spielen noch nicht wirklich viel klarer werden - alles scheint recht zusammenhangslos und fremdbestimmt. Das war auch der größte Kritikpunkt diverser Spieler - sie hatten nicht das Gefühl, die "Zügel in der Hand zu halten". Dadurch wirkte für sie das Spiel "langweilig" und "undurchsichtig".

Natürlich ist nicht alles so schwarz zu sehen, wie ich es im letzten Abschnitt geschrieben habe, denn es gibt durchaus diverse (vermutlich mehr als man denkt) Stellschrauben, an denen man selbst seine eigenen Geschicke beeinflussen kann. Alchemist hat zwar wenige Glückmomente (eigentlich nur das Nachziehen der Zutaten aus dem Beutel), beruht dafür aber umso mehr darauf, dass man erreichen muss, von den Mitspielern zu profitieren und diese in die gewünschten Bahnen zu lenken (was von den Spielern allerdings gleichermaßen als "pures Glück" wahrgenommen wird). Natürlich versuchen die Mitspieler das gleiche, was zu dem Dilemma des Spiels führt. Ich kann die wichtigen Schritte zum Sieg nicht selbst, sondern nur durch meine Mitspieler erreichen. Nach einigen Spielen hat man sich zwar einige kleine Taktiken zurecht gelegt, die aber alle wiederum von den Mitspielern abhängen.

Ich denke, Alchemist ist ein Spiel mit Potential, in das man sich aber wirklich einarbeiten muss. Nur wer seine Mitspieler lenken kann und einzuschätzen weiß, wird erfolgreich sein. Das macht es auf der einen Seite interessant, auf der anderen Seite, muss man aber vermutlich erst diese erste Lern-Phase überstehen, um sich in das Spiel hereinzudenken. Genauso wichtig ist eine Spielgruppe, die sich auf dieses Spiel einlassen will.

Was will ich nun also mit diesem Fazit sagen? Ist Alchemist Gut oder Schlecht? In meinen Augen liegt die Wahrheit (wie so oft) in der Mitte. Alchemist ist kein schlechtes Spiel - schon das Spielmaterial ist grafisch wirklich sehr gut gelungen. Aber es reicht bei mir auch nicht für die vorderen Plätze, weil ich trotz diverser kleiner Taktikansätze kein "großes Ganzes" zu erkennen mag. Ich denke, für viele Spieler (in diesem Fall auch für mich) hätte ein kleines bisschen mehr Führung dem Spiel gut getan. Ich werde es sicherlich noch das eine oder andere Mal spielen, um noch ein bisschen tiefer einzusteigen, und zu ergründen, ob die Strategie doch noch die Oberhand über das Glück behalten kann. Aber der ganz große Funken ist leider nicht übergesprungen. Müsste ich eine Schulnote vergeben, würde ich wohl zu einer "2-" greifen, denn das Spiel hat durchaus Potential - man muss nur versuchen es zu ergründen.



27. Januar 2008 - (tp)

Rezensionsbilder