Rezension von Origo


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Parker/Hasbro bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Das Cover des Spiels Origo - ein Autorenspiel von Wolfgang Kramer - ist schön gestaltet: 4 Männer und eine Frau blicken mir entgegen und ich bin gespannt, wohin mich die Reise führt, steht doch auf der Packung "Aufbruch in neue Länder". Das Spielbrett zeigt ein abstraktes Europa im Jahr 412 und steht in der (für meinen Geschmack etwas lieblosen) Gestaltung etwas hinter den anderen Spielmaterialien zurück. Diese wären: diverse runde Marker, knapp 100 Karten, 2 Kurzspielregeln (auf schön dickem Karton), 1 Wertungsplan sowie eine Handvoll Spielfiguren aus Holz. Alles in allem aber durchaus ordentliches Spielmaterial. Die 23-seitige Anleitung (Din A5) ist reichhaltig bebildert und mit Beispielen ausgeschmückt. Die Regeln lesen sich flüssig und durch die Abbildungen sollten nicht allzu viele Fragen unbeantwortet bleiben. In dem Plastik-Inlet lassen sich alle Spielmaterialien fein säuberlich geordnet unterbringen - leider ist das Inlet aber ca. 0,5cm zu flach, so dass der Kartenstapel etwas über das Inlet herausragt und die Karten durch die Packung rutschen können.

Thema & Ziel des Spiels
Europa im Jahr 412. Bis zu 5 Volksstämme (Hunnen, Langobarden, Goten, Angelsachsen, Wandalen) machen sich auf, das europäische Festland zu erobern. Auf Ihrer Reise durch Europa gründen sie Clans und Länder und auch die Hoheit über die Meere will erobert werden - all das bringt Punkte.

Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Punkte zu sammeln - wer am Spielende mit seinem Stammesführer am weitesten auf der Punkteleiste fortgeschritten ist, gewinnt.

Spiel-Vorbereitungen
Spielbrett und Wertungsplan werden bereit gelegt. Jeder Spieler erhält (je nach Spielerzahl) eine bestimmte Anzahl an Schild-Markern sowie einen Anführer in seiner Farbe. Auf jedes Feld der Gründungsleiste auf dem Wertungsplan wird ein weißer Gründungsstein gestellt. Der kleine weiße Wertungsstein wird ebenfalls auf dem Wertungsplan platziert. Die Stammesführer werden auf der Punkteleiste ("Pfad der Stammesführer") platziert, die Karten gemischt und in Griffweite verdeckt bereit gelegt. Jeder Spieler zieht nun verdeckt 10 Karten vom Stapel. Die Eroberung Europas kann nun beginnen.

Spielablauf
Zuerst werden reihum sämtliche Schild-Marker, die die Spieler zum Spielstart erhalten haben, in Europa platziert, und zwar so, dass in großen Ländern (=8 Felder groß) maximal 4, auf die kleinen Länder (höchstens 6 Felder groß) maximal 2 Schild-Marker gelegt werden.

Sind alle Schilde platziert, verläuft das Spiel in Runden. Der Startspieler jeder Runde kann jede der folgenden 4 Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen:
  • Ausbreiten - Mit einer entsprechenden Karte kann ein neuer Schild gelegt werden. Es gibt 5 Typen von Karten: Reihenkarten (hier ist die Reihe angegeben, auf die man einen Schild legen darf), Spaltenkarten (dergleichen für eine Spalte), Länderkarten (dergleichen für ein Land), Schiffskarten (dergleichen für ein Seefeld) sowie Bevölkerungskarten (hier kann ein neues Schild angrenzend zu einem bereits liegenden, eigenen Schild gelegt werden).
  • Angreifen - dazu weiter unten mehr
  • Wandern - Eines der eigenen Schilder auf ein angrenzendes freies Feld ziehen
  • Segeln - Eines der eigenen Schilder von einem Seefeld auf ein angrenzendes freies Feld ziehen


Anschließend wird die Kartenhand auf 10 Karten aufgefüllt und alle anderen Spieler können Ihre Aktionen durchführen - dies zählt alles noch zur gleichen Runde. Wenn innerhalb eines Landes das letzte freie Feld mit einem Schild besetzt wurde, gilt dieses Land als gegründet. Der nächste Gründungsstein wird vom Wertungsplan entfernt und auf dem gegründeten Land platziert und der Anführer entsprechende Punkte nach vorne gezogen. Ggf. findet nun eine Stammeswertung statt.

Kann ein Spieler durch das Spielen einer Karte ein Schild auf ein gegnerisches Schild legen, kommt es zum Angriff. Der Angreifer rechnet nun seine Angriffsstärke zusammen: 1 Punkt für jeden seiner Schilde, die an das angegriffene Feld grenzen plus 2 Punkte für jede Karte, die ihn das Feld angreifen lassen. Der Verteidiger rechnet ebenfalls auf diese Weise seine Punkte aus, rechnet aber noch 1 Punkt für das angegriffene Feld dazu. Beide Parteien können nun durch das Ausspielen von Karten abwechselnd weitere Punkte hinzufügen, bis ein Sieger feststeht.

Kommt es zu einer Stammeswertung gibt es gleich vier Mal Punkte:
  • Ländergründung: Da eine Stammeswertung nur nach der Gründung eines Landes vorkommen kann, bekommt der Spieler, der das Land gegründet hat, je nach Landgröße, Punkte.
  • Clanwertung: Hier bekommt die meisten Punkte, wer den größten Clan vorweisen kann, d.h. Bereiche, bei denen mindestens 3 eigene Schilder angrenzend zueinander liegen.
  • Seemachtswertung: Hier bekommt die meisten Punkte, wer die meisten Schilde auf Seefeldern liegen hat.
  • Länderwertung: Hier wird für jedes Land einzeln die Mehrheit der Schilde ermittelt und entsprechende Punktzahlen verteilt


Das Spiel endet, sobald das letzte Land gegründet wurde, ein Spieler seinen letzten Schild auf dem Spielplan platziert hat oder wenn alle Spieler in einer Runde auf ihren Zug verzichten. Wer mit seinem Stammesführer am weitesten vorne steht, hat das Spiel gewonnen.

Fazit
Origo macht es einem nicht leicht. Weder beim Spielen noch beim Schreiben der Rezension. Ständig ist man hin und her gerissen, bei diesem Spiel. Aber warum?

Beim ersten Spielen von Origo wird sich der Spieler zunächst alleingelassen fühlen. Da der Start jedes Spiels damit beginnt, abwechselnd seine Schilder zu legen, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien man nun eigentlich legen soll. Auf Länder? Auf Seefelder? Möglichst verteilt? Oder doch besser auf engem Raum? Fragen über Fragen, die man beim ersten Spiel definitiv nicht beantworten können wird. Und genauso geht es weiter, wenn es an die Durchführung der bis zu 4 Aktionen geht. Soll man sich ausbreiten, wandern oder bereits gegründete Länder angreifen? Karten aufheben oder möglichst ausspielen? Noch mehr Fragen, die sich durch das erste Spiel gezogen haben. Jeder Spieler spielte relativ ziellos vor sich hin ohne eine wirkliche Strategie vor Augen. Das Spiel wirkte sehr abstrakt - genauso wie der Spielplan. Doch trotz dieser Schwierigkeiten hatte ich am Ende des ersten Spiels nicht das Gefühl, ein missratenes Spiel gespielt zu haben - im Gegenteil, ich wollte Antworten auf die oben gestellten Fragen finden. Wie gesagt, Origo macht es einem nicht leicht.

Durch das sehr abstrakte Spieldesign und die Ausrichtung auf Länder und Eroberungen möchte man in Origo in erster Linie ein strategisches Eroberungsspiel sehen - der letzte Überlebende gewinnt. Letztendlich geht es bei Origo aber "nur" um eins: Punkte sammeln. Egal auf welche Art. Da jedes Spiel anders verläuft, kann man hier auch keinerlei Empfehlung geben. Während bei einer Partie die möglichst breite Aufstellung der eigenen Einheiten wichtig ist, kann es in der nächsten Spielrunde schon eher um Angriff und Verteidigung gehen; man kann ein ganzes Spiel ohne einen einzigen Angriff gestalten. Das macht Origo so interessant.

Überrascht war ich über die Altersangabe: ab 10 Jahre. Ja, ein 10-jähriger wird die Regeln von Origo verstehen und anwenden können, aber ich bezweifle stark, dass man in diesem Alter schon die strategische Seite des Spiels so weit versteht, dass es Spaß machen kann - vor allem weil das Spiel recht strategisch und geschichtlich-trocken daher kommt. Origo zieht seinen Spielspaß in meinen Augen vor allem aus dem strategischen Schlagabtausch. Man muss sich auf den Gegner einstellen und die eigene Strategie andauernd prüfen. Wo verliere ich Punkte? Wo stehe ich gut da? Wo kann ich dem/den Gegner(n) Punkte abnehmen. Allein darum dreht sich Origo. Von daher denke ich, ist Origo nicht unbedingt ein Familienspiel, sonder eher für Strategen gedacht, die sich in ein Spiel reindenken können.

Doch so ganz kommt Origo auch nicht ohne den Faktor Glück aus: Man ist stark darauf angewiesen, welche Karten man auf der Hand hat. Passen die Karten nicht, kann man weder Angreifen noch Verteidigen. Im Gegensatz dazu steht die Startphase des Spiels - keinerlei Glück, Taktik pur.

Was ist nun das endgültige Fazit über Origo: Das Spielmaterial und die Darstellung empfinde ich als zu steril (auch wenn ich aus spielerischer Sicht nichts beanstanden kann), der strategische Tiefgang von Origo spricht mich hingegen sehr an. Man sollte Origo antesten, ob einem das Spiel gefällt. Origo macht es einem wirklich nicht leicht, und man sollte definitiv 2-3 Partien mit einer festen Gruppe gespielt haben, bevor man sich eine Meinung bildet. Meine lautet: Origo ist kein Spiel für den späten Abend und kein Spiel, das man nebenbei spielt - es erfordert einen klaren Kopf. Aber genau das macht es in meinen Augen so interessant.



11. September 2007 - (tp)

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