Rezension von Jórvík


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Jórvík
Ein nordischer Name, normannische Personen & ein Wikingerschiff auf dem Cover - bei Jórvík, dem neuen Spiel von Stefan Feld aus den Verlagen Pegasus & eggertspiele merkt man schnell wohin die Reise geht. Jórvík war ein Königreich der Normannen in Nordengland mit der gleichnamigen Hauptstadt Jórvík - heute unter dem Namen York bekannt.

Bei diesem Spiel geht es darum, durch geschicktes Bieten verschiedene Kartentypen zu erwerben, um z. B. Handel zu treiben, Angriffe der Pikten (Schottische Völker) abzuwehren oder Raubzüge durchzuführen, um am Spielende möglichst viele Siegpunkte zu erreichen. Wer am Spielende die meisten Siegpunkte erreicht, gewinnt das Spiel.

Spielablauf
Das Spiel beinhaltet 2 Spielvarianten: Das "Karl"-Spiel für Einsteiger (Karl hießen die freien Wikingerbauern) oder das "Jarl"-Spiel (Jarl hießen die Adligen). Das Spielbrett wird in die Tischmitte gelegt - bei der "Karl"-Variante nur die untere Hälfte. Die Waren kommen in den Beutel, die Münzen bilden einen Vorrat. Die Karten werden nach "Jahreszeit" sortiert, je nach Spielerzahl und Spielvariante werden ggf. Karten aussortiert. Die 4 Jahreszeitenstapel werden gemischt und aufeinander auf der "Finaler Angriff der Pikten"-Karten verdeckt abgelegt. Jeder Spieler erhält ein Tableau sowie eine gewisse Anzahl an Wikingerfiguren in seiner Farbe sowie seinen Münz-Startwert. Jeder Spieler startet mit 10 Siegpunkten.

Das Spiel wird in mehreren Runden gespielt, die in die folgenden 4 Phasen unterteilt sind:
  • Angebotsphase: Je nach Spielerzahl & Spielvariante werden nun Karten vom Kartenstapel offen auf dem Spielplan ausgelegt. Auf Schiffskarten werden Waren gelegt, die zufällig aus dem Beutel gezogen werden. Wird eine "Angriff der Pikten"-Karten aufgedeckt, wird direkt dieser Angriff abgehandelt. Bei einem "Angriff der Pikten" zählen alle Spieler die Verteidigungspunkte ihrer eigenen Karten zusammen. Der Spieler mit dem höchsten Wert bekommt Siegpunkte, der Spieler mit dem niedrigsten Wert, verliert Siegpunkte.
  • Nachfragephase: Beginnend mit dem Startspieler setzen nun alle Spieler reihum jeweils einen ihrer Wikingerfiguren auf das oberste freie Feld einer Nachfragereihe unten den Karten. Im "Jarl"-Spiel haben die Spieler zusätzlich die Möglichkeit Karten aus einer weiteren Kartenreihe zu erhalten - dazu wird die gewählte Karte mit einer Wikingerfigur auf das am weitesten links liegende freie Feld der Reservierungsreihe gelegt. Haben alle Spieler ihre Wikingerfiguren eingesetzt, endet diese Phase.
  • Kaufphase: Von links nach rechts wird nun jeder Karte verkauft. Die Kosten der Karte entsprechen der Anzahl der Kaufinteressenten, die darunter aufgereiht sind (z. B. 3 Münzen bei 3 Wikingerfiguren unter dieser Karte). Entscheidet sich der oberste Spieler, diese Karte nicht für die Anzahl an Münzen zu kaufen, nimmt er seine Wikingerfigur zurück und der nächste Spieler hat die Möglichkeit die Karte (für nun 1 Münze weniger) zu erwerben. Gekaufte Karten werden oberhalb des Spielertableaus abgelegt. Im "Jarl"-Spiel werden zusätzlich die Karten aus der Reservierungsreihe verkauft - von links nach rechts. Die Kosten entsprechen der Anzahl der Karten in dieser Reihe - ansonsten erfolgt der Verkauf wie beschrieben. Nachdem alle Karten abgehandelt wurden, endet diese Phase.
  • Verladephase: Jeder Spieler erhält nun 1 Münze bzw. 2 Münzen, wenn er in dieser Runde keine Karte gekauft hat. Nun werden alle Karten - außer Schiffs-Karten - unterhalb des Spielertableaus verschoben. Zuletzt müssen noch alle Waren von den erworbenen Schiffs-Karten verteilt werden. Dabei können die Waren auf alle Karten verteilt werden, die unterhalb des Tableaus liegen - z.B. auf Handwerkskarten (was am Spielende Siegpunkte einbringt), Händlerkarten (der Verkauf bringt Münzen), oder im "Jarl"-Spiel auf Orakelkarten (was direkt Siegpunkte einbringt). Weiterhin können Waren in begrenzter Menge auch zwischengelagert oder getauscht werden.
Die erworbenen Spielkarten haben sehr unterschiedliche Zwecke - neben den oben angesprochenen, erhöhen sie z.B. auch die Stärkepunkte (gegen die Pikten-Angriffe), bieten mehr Lagerplatz oder bringen am Spielende die unterschiedlichsten Punkte.

Das Spiel endet sobald die letzte Karte ("finaler Angriff der Pikten") aufgedeckt & abgehandelt wurde. Alle Spieler addieren nun ihre Siegpunkte, die sie am Spielende durch ihre Karten erhalten, zu ihrer Wertung hinzu. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.

Fazit
Der Name "Stefan Feld" steht in der Regel für hochwertige Spiele, was auch die Auflistung der durchschnittlichen Wertungen hier bei Spiele-Check belegt. So sind die Erwartungen natürlich dementsprechend hoch. Um es vorweg zu nehmen - auch Jórvík enttäuscht nicht.

Was Spielmaterial & -qualität betrifft, wird mir bei Pegasus und eggertspiele nicht bange, was auch Jórvík belegt. Griffige Karten, stabiles Papp-Spielmaterial, ein Stoffbeutel überzeugen auf der haptischen Seite. Die Illustrationen von Marc Margielsky sind gelungen und passen gut zum Thema - lediglich das Spielbrett hätte in meinen Augen noch etwas mehr Liebe vertragen können. Die Anleitung ist übersichtlich, gut bebildert und mit ausreichend Beispielen versehen, so dass während des Spielens eigentlich kaum noch Fragen aufkommen sollten. Den Schreibstil der Anleitung, bei dem durchgehend von "Spielerinnen" gesprochen wird, finde ich extrem gewöhnungsbedürftig.

Das "Herz" von Jórvík ist definitiv der sehr interessante Biet-Mechanismus, wobei man der Fairness halben anmerken muss, dass dieser nicht neu ist. Bereits im Spiel Speicherstadt und der Erweiterung Kaispeicher wurde dieser Mechanismus von Stefan Feld verwendet. Jórvík wird daher oft als "Neuauflage" von Speicherstadt beschrieben, was durchaus berechtigt ist - auch dort gab es 4 Jahreszeiten-Kartenstapel, Waren, Münzen & Arbeiter. Wer also Speicherstadt besitzt wird mit Jórvík kein neues Spielerlebnis erhalten - alle anderen erhalten hier quasi die Erweiterung mit dazu, denn die "Jarl"-Variante entspricht in etwa der Kaispeicher-Erweiterung. Da ich "Speicherstadt" nie bewertet habe, rezensiere ich Jórvík als eigeneständiges Spiel ohne weiteren Vergleich zu Speicherstadt.

Mit hat der Biet-Mechanismus sehr gut gefallen, da man ihn außer für den eigenen Erwerb von Karten auch äußerst "aggressiv" gegen die Mitspieler einsetzen kann, um für diese den Erwerb von Karten zu verteuern oder sogar ganz zu verhindern. Gerade in Runden, in denen man selbst nicht viel Geld zur Verfügung hat, und man vermutlich keine Karte erwerben kann, lohnt sich diese Taktik. Daher lohnt es sich immer, die Geldvorräte der Mitspieler im Auge zu behalten - die Frage, wer wie viel Geld hat, wo die Wikinger eingesetzt wurden und was man dafür kaufen kann, erlaubt mehr Taktik, als man Anfangs meint. Überhaupt sollte man seinen Münzvorrat immer im Blick behalten. Gerade in der letzten Runde kann es wichtig sein, genügend Kaufkraft zu besitzen.

Die beiden Spielvarianten sind schön aufeinander abgestimmt - das "Karl"-Spiel als Einstiegsspiel führt gut in die Spielmechaniken ein und bietet genügend taktische Tiefe ohne zu überfordern. Das "Jarl"-Spiel legt noch etwas an Tiefgang drauf - erneut ohne sich in vielen neuen Regeln zu verlieren. Nicht aus den Augen verlieren darf man auch die eigene Kampfkraft, denn die "Pikten"-Karten sorgen (gerade am Spielende) doch für mehr Minuspunkte als einem lieb sein kann.

Jórvík ist vom Verlag als "Kennerspiel" gekennzeichnet, was sich aber eher in den Kartenabhängigkeiten als in der Regelmenge widerspiegelt, was Jórvík in meinen Augen für ein schönes "Einsteigerspiel für angehende Strategen" eignet. Ein weiterer Pluspunkt sind die wenigen Leerlaufzeiten - selbst beim Setzen der Wikinger der Mitspieler kann / soll / muss man die dadurch entstandene neue Situation beurteilen.

Einziger kleiner Kritikpunkt ist in meinen Augen der immer gleiche Spielablauf, da nie wirklich etwas Neues passiert - Waren, Schiffe, Pikten ... die erste Runde spielt sich wie die letzte Runde. Das soll aber nicht heißen, dass das Spiel langweilig wäre, denn der Spaß des Spiels entwickelt sich aus der Optimierung der eigenen Züge. Das Spiel ist für 2 bis 5 Spieler ausgelegt, wobei ich sagen muss, dass es mehr Spaß macht, je mehr Spieler mitspielen. Besonders bei 2 Spielern kann der Biet-Mechanismus seine Stärken nicht ausspielen.

Als abschließendes Fazit gilt: Jórvík ist ein sehr interessantes Einsteiger-Kennerspiel mit gelungenem Biet-Mechanismus und schönem Thema. Wer allerdings "Speicherstadt" & "Kaispeicher" bereits besitzt, hat außer dem Thema nahezu keinen Grund sich Jórvík anzuschaffen.

22. Februar 2017 - (Thorsten Pohl)

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