Rezension von Great Western Trail


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Great Western Trail
Nach Mombasa ist "Great Western Trail" das nächste Expertenspiel (= Strategie-Schwergewicht) von Alexander Pfister, das bei Pegasus / eggertspiele erschienen ist. Die Spieler verkörpern Viehzüchter der USA im 19. Jahrhundert und versuchen mit ihren Rindern möglichst viel Gewinn zu erzielen - doch schon der Weg aus Texas nach Kansas City zum Bahnhof ist mit allerlei Gefahren (sprich: Aktionen & Entscheidungen) gepflastert. In vielen Kategorien können die Spieler Punkte erreichen - wer am Spielende die meisten Punkte auf dem Konto hat, gewinnt das Spiel.

Spielablauf
Aufgrund der Regelmenge gebe ich hier nur einen groben Überblick über den Spielablauf.

Zunächst muss das Spiel vorbereitet werden. Diverse Marker & Plättchen (z.B. Gebäude, Arbeiter, ...) werden auf und neben dem Spielplan platziert. Die Markt-Rinderkarten werden gemischt und je nach Spielerzahl zwischen 7 und 13 Karten aufgedeckt. Auch die Auftragskarten werden gemischt und 4 davon aufgedeckt. Jeder Spieler erhält neben seiner Spielerablage noch diverses Spielmaterial in seiner Farbe (z.B. Spielermarker, Gebäudeplättchen, ...). Von seinen persönlichen Rinderkarten nimmt jeder Spieler 4 Karten verdeckt auf die Hand - diese "Handkarten" sind ein wichtiges Element des Spiels.

Das Spiel wird reihum gespielt. Jeder Spieler führt nun nachfolgende 3 Phasen durch, bis das Spielende erreicht ist.
  • Viehtreiber bewegen
  • Ortsaktion ausführen
  • Handkarten nachziehen, bis das Handkartenlimit erreicht ist

In der Phase Viehtreiber bewegen kann der Spieler seinen Viehtreiber entlang des Pfades auf dem Spielplan um (maximal) so viele Felder vorwärts bewegen, wie sein Schrittlimit es erlaubt. Dabei werden noch nicht mit Gebäuden oder Gefahren belegte Felder übersprungen. Erreicht ein Spieler den Ort "Kansas City", muss er dort stehen bleiben. Je nach Gebäude- oder Gefahrenfeld führt der Spieler in der nachfolgenden Phase die Aktion(en) aus, die das Plättchen vorgibt. Ggf. muss der Spieler auf seinem Weg (aufgrund überschrittener Plättchen) noch Gebühren an die Bank oder Mitspieler zahlen. Die Phase Ortsaktion ausführen ist das Kernstück von "Great Western Trail". Je nach Plättchen unterscheiden sich die Aktionen immens voneinander.
  • Bei einem eigenen oder neutralen Gebäude kann der Spieler alle möglichen Aktionen dieses Ortes oder seines Spielertableaus ausführen.
  • Bei einem fremden Gebäude oder Gefahrenplättchen darf der Spieler lediglich die Aktionen seines Spielertableaus ausführen
  • Beim Erreichen von Kansas City werden zunächst neue Plättchen auf dem Spielplan eingesetzt. Dann ermittelt der Spieler die Werte von allen unterschiedlichen Rinderkarten, die er auf der Hand hält - dies ist der Gesamt-Zuchtwert, den er als Münz-Nachschub erhält. Anhand dieses Gesamt-Zuchtwertes kann der Spieler nun seine Rinde in verschiedene Orte entlang der Eisenbahnstrecke ausliefern, was ihm am Spielende Punkte bringen kann. Je nach Position seines Zuges kostet diese Auslieferung auch Gebühren. Durch das Ausliefern erhält der Spieler auch Zugriff auf neue oder verbesserte Aktionen auf seinem Spielertableau (z.B. Größere Schrittweite, mehr Handkarten, ...).
Neben den Rinderkarten, die man durch geschicktes Ausspielen, Einsetzen und durch das Hinzufügen neuer Karten zu seinem Rinderkartenstapel möglichst effizient verwenden muss, sind die Aktionen das zweite "Standbein" des Spiels. Durch Aktionen kann man bei "Great Western Trails" alles beeinflussen. Hier einige Beispiele:
  • Gebäude bauen: Der Spieler kann eines seiner eigenen Gebäudeplättchen auf der Wegstrecke des Spielplans platzieren und sich somit neue Möglichkeiten erschaffen bzw. die Mitspieler behindern.
  • Arbeiter einstellen: Es können Cowboys (erlauben den Kauf teurerer Rindenarten), Handwerker (erlauben den Bau von Gebäuden) und Ingenieure (geben Vorteile beim Vorziehen des Zuges) erworben werden.
  • Auftragskarten erwerben: Erfüllte Auftragskarten bringen am Spielende Punkte - nicht erfüllte aber auch teilweise Minuspunkte
  • Zug bewegen: Das Bewegen des Zuges und das Einsetzen von Bahnhofsvorstehern bringt ebenfalls Vorteile & Punkte
  • Rinderkarten erwerben und verwenden
  • Durch das Managen seiner Rinder-Handkarten und seines persönlichen Rinderkartenstapels kann der Spieler teurere Rinder erhalten und somit seinen Ertrag in Kansas City vergrößern.

Das Spiel endet wenn der Arbeitsmarktanzeiger das letzte Felder seiner Reihe verlassen hat. Nun addieren die Spieler ihre Punkte aus 11 verschiedenen Kategorien zusammen. Wer die meisten Punkte erreicht hat, gewinnt.

Fazit
Nach Mombasa war ich skeptisch, dass es in absehbarer Zeit ein neues Spiel schaffen würde, meinen persönlichen "Expertenspiel-Strategie-Thron" zu erobern. Das es nun mit "Great Western Trail" (GWT) ein Spiel mit neuem Thema und komplett unterschiedlichem Spielverlauf aber vom gleichen Autor geschafft hat, finde ich erstaunlich und auch bewundernswert. Doch der Reihe nach...

Ich werde hier nur wenige Vergleiche zu Mombasa aufführen, denn beide Spiele haben bis auf den Autor und die Ausrichtung auf Strategie-Experten kaum Gemeinsamkeiten - weder im Thema noch im Spielablauf. Das Spielmaterial ist von gewohnt hoher Qualität. Alles ist stabil, haptisch ansprechend und gut durchdacht. Die Illustrationen von Andreas Resch gefallen mir sehr gut - das (erfreulich frische) Thema des Spiels ist toll umgesetzt. Die Icons & Grafiken sind vielfältig (und damit zunächst: erschlagend), aber im Endeffekt sehr klar und helfen das Nachschlagen in der Anleitung zu reduzieren. Die Anleitung an sich ist gut strukturiert und enthält viele Beispiele, was bei diesem komplexen Spiel auch zwingend notwendig ist. Aufgrund der vielen Aktionen, die es zu erklären gilt, wirkt die Anleitung (immerhin 16 Seiten stark) komplizierter, als sich das Spiel letztendlich spielt. Eine halbe Stunde Aufbau & Erklärung vor dem 1. Spiel muss man definitiv einplanen.

Im Gegensatz zu Mombasa spielt sich GWT trotz ähnlicher Spieldauer gefühlt schneller. Das liegt vor allem daran, dass die Spieler häufiger am Zug sind und so weniger Leerlaufphasen für die einzelnen Spieler entstehen. Weiterhin gut gefallen hat mir, dass die Steigerung der Komplexität im Laufe des Spiels passiert. Anfangs befinden sich nur wenige (neutrale) Gebäude auf dem Weg, so dass man die ersten Durchläufe recht schnell Kansas City erreicht. Erst mit andauernder Spielzeit und dem Hinzufügen der eigenen Gebäude werden die Wege länger und die Möglichkeiten komplexer (und auch wichtiger). Bei unseren Partien haben die ersten 2/3 der "Durchläufe nach Kansas City" genauso lange gedauert, wie das letzte Drittel. Das sorgt für zusätzlichen Spannungsaufbau und dafür, dass sich das Spiel im Laufe einer Partie durchaus relevant verändert.

Der zweite Pfeiler des Spiels ist das Deckbuilding-Element der Rinderkarten, den man am Anfang der Partie keinesfalls aus den Augen verlieren darf, sonst kann man das Spiel nicht gewinnen. Nur wer es schafft sein Deck geschickt zu beeinflussen (ja, dazu gehört auch das "aus dem Spiel nehmen" von billigen Rinderkarten) und rechtzeitig teure Rinder einkauft, kann im letzten Drittel des Spiels bestehen, wenn es darum geht seine Rinder möglichst weit auf der Bahnstrecke zu befördern. Beim Ziehen der Rinderkarten ist natürlich ein Glückselement gegeben, aber es gilt dieses zu minimieren, weswegen es nicht frustrierend wirkt.

Die Wiederspielbarkeit bei GWT ist trotz der hohen Spieldauer extrem hoch. Bereits die anfängliche Reihenfolge der neutralen Plättchen hat große Auswirkungen auf den Spielverlauf - gepaart mit den doppelseitigen eigenen Gebäudeplättchen & Auftragskarten ist eine stetige Anpassung auf die Gegebenheiten zwingend notwendig.

Ein letztes Element, das ich ansprechen will, ist, dass die Spieldauer stark von der Taktik der Spieler abhängig ist. Will jeder Spieler möglichst alle Aktionen auf der Reise "mitnehmen", dann kann sich GWT etwas hinziehen, da nur das Erreichen von Kansas City den Arbeitsmarktanzeiger voran treibt (und damit dem Spielende entgegen). Ein Spieler kann hier durchaus Druck auf die anderen Spieler aufbauen, indem er "schneller" spielt und so öfter Kansas City erreicht und damit (potentiell) auch mehr Geld erhält.

Aufgrund der 11 Wertungskategorien kann man bis zum Spielende eigentlich nicht einschätzen, wer das Spiel letztendlich gewinnen wird - ein weiteres schönes Spannungselement, wenn die Punkte addiert werden.

Eine letzte Anmerkung oder Warnung: Aufgrund meiner Schilderungen sollte klar geworden sein, dass GWT kein Spiel für Gelegenheitsspieler und kein Spiel "für Zwischendurch" ist. Man muss sich darauf einlassen und (zumindest bei 3 oder 4 Spielern) die "Geduld" für 2+ Stunden Spielzeit mitbringen, die die hohe Anfangshürde der Menge an Aktionen bewirkt. Das angegebene Alter von 12 halte ich für äußerst optimistisch und nur bei Jugendlichen gerechtfertigt, die von klein auf an immer komplexere Spiele gewöhnt wurden.

Mein Schlussfazit lautet: Great Western Trail spielt sich etwas zügiger als Mombasa und verwebt die Spielelemente noch etwas geschickter miteinander, was dafür sorgt, dass GWT meine persönliche neue Referenz im Genre "Expertenspiele" ist.

05. April 2017 - (Thorsten Pohl)

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