Rezension von Das Orakel von Delphi


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Das Orakel von Delphi
"Das Orakel von Delphi" von Stefan Feld aus der Pegasus Spieleverlag ist ein Brettspiel bei dem die Spieler 12 Aufgaben von Göttervater Zeus möglichst schnell erledigen müssen. Wer zuerst alle Aufgaben erledigt, gewinnt das Spiel. Doch ohne das "Orakel von Delphi" können die Spieler ihre Aufgaben nicht erledigen. Gute Planung ist hier von immenser Wichtigkeit ... möge der Wettkampf bzw. Wettlauf beginnen.

Spielablauf
Bereits der Spielaufbau nimmt einige Zeit in Anspruch. Das Spielfeld muss aus variablen Teilen zusammengebaut und mit Opfergaben, Tempeln, Monstern und Statuen (nach bestimmten Vorgaben) bevölkert werden. Alle Kartenarten (Orakelkarten, Wundenkarten, Begleiterkarten & Ausrüstungskarten) werden gemischt und (meist) verdeckt bereit gelegt.

Jeder Spieler erhält ein Spielertableau, 1 Gunstplättchen, 12 Aufgabenplättchen (für eine kürzere Partie gibt es eine Regelvariante mit nur 8 Aufgaben), 1 Schiffsplättchen, 3 Orakelwürfel, 1 Schild, 3 Kultstätten und 6 Götter, die sich auf einer Art "Himmelsleiter" nach oben bewegen und dort angekommen eine Sonderfertigkeit nutzen können.

Das Spiel geht reihum - jeder Spieler durchläuft in seinem Zug folgende 3 Phasen:
  • 1. Phase: Hat der Spieler 3 gleiche oder 6 beliebige Wundenkarten, muss er 3 davon ablegen und beendet sofort seinen Spielzug. Ohne Wundenkarte erhält der Spieler 2 Gunstplättchen oder rückt einen seiner Götter 1 Feld auf der Himmelsleiter nach oben.
  • 2. Phase: In dieser Phase werden die Aktionen durchgeführt, die durch die 3 Orakelwürfel definiert werden (s.u.). Zusätzlich können maximal 1 Orakelkarte und beliebig viele Sonderaktionen der Götter ausgelöst werden.
  • 3. Phase: Die 3 Orakelwürfel werden geworfen - jeder Spieler kann nun ggf. (wenn die Farbe übereinstimmt) einen seiner Götter um 1 Feld weiter nach oben ziehen.
  • Titanenwürfel: Nur der letzte Spieler in der Runde wirft zusätzlich noch den Titanenwürfel. Je nach Würfelwurf und Schild-Stärke der Spieler erhalten die Spieler Wundenkarten.

Das Hauptelement des Spiels sind die Orakelwürfel, bei denen es auf die gewürfelte Farbe ankommt. Diese Farbe bestimmt die Aktionsmöglichkeiten der Spieler (Würfel dürfen durch Abgabe von Gunstplättchen auch "umgefärbt" werden), z.B.
  • ...die Farbe des letzten Feldes bei einer Schiffsbewegung.
  • ...die Farbe des Monsters, das bekämpft werden kann.
  • ...die Farbe der Insel, die erkundet wird.
  • ...die Farbe des Bauplatzes, auf dem eine Statue errichtet wird. usw.

Aufgrund der Regelmenge, können hier nicht alle Details wiedergegeben werden. Neben den angesprochenen Hauptregeln, müssen die Spieler u.a. noch ihre Stärke verbessern, um gegen Monster bestehen zu können, die Sonderfähigkeiten der Götter geschickt einsetzen und erhalten Begleiter- & Ausrüstungskarten, die natürlich diverse Boni geben. Auch die Schiffe der Spieler bieten unterschiedliche (einzigartigen) Boni.

Ziel bei all diesen Aktionen ist es immer, die 12 Aufgaben zu erfüllen. Je 3 davon sind "Baue eine farbige Kultstätte", "Errichte eine farbige Statue", "Liefere eine farbige Opfergabe zu einem passenden Tempel" und "Besiege 1 Monster in der entsprechenden Farbe". Wer zuerst alle 12 Aufgaben erledigt hat, gewinnt am Rundenende das Spiel, sobald wieder das Ausgangsfeld (Zeus-Feld) erreicht wurde.

Neben der Einstiegsvariante mit nur 8 Aufgabenplättchen enthält die Regel weiterhin eine Variante für 9 bis 11 Aufgaben.

Fazit
Die Regelmenge macht es deutlich, "Das Orakel von Delphi" richtet sich an (wie so viele Spiele von Stefan Feld) eher an erfahrene Spieler, auch wenn sich die Regeln bei diesem Spiel nach den ersten paar Spielrunden als gar nicht so komplex herausstellen. Auch Spieler, die eine "Spielmaterial-Phobie" haben sei "Das Orakel von Delphi" nichts ans Herz gelegt - mehr als 350 einzelne Spielmaterialteile sorgen zunächst für eine leichte Überforderung, aufgrund ihrer Vielfalt. Dies führt auch zu einer recht hohen Aufbauzeit. Das Spielmaterial an sich ist - typisch Pegasus - von guter Qualität: stabile Pappmarker & Spielplanteile, ordentliche Kartenqulität, viele Marker aus Holz. Auch die Optik von Dennis Lohausen weiß zu gefallen und passt gut zum Thema des Spiels. Die (reichhaltige) Symbolsprache ist bereits nach kurzer Eingewöhnungszeit intuitiv. Lediglich die Unterscheidung der Farben rot und rosa führte hin und wieder zu Problemen.

Wie von Stefan Feld gewohnt bietet auch "Das Orakel von Delphi" eine große Vielfalt an Aktionsmöglichkeiten, die bei diesem "Wettlaufspiel" gut miteinander verwoben sind. Die Aktionsauswahl mittels der gewürfelten Farben ist zunächst ungewohnt, bereitet dann aber keinerlei Probleme. Der Reiz liegt in der Planung der bestmöglichen Einsatzzwecke der Würfel, denn das Wettlauf-Thema ist tatsächlich Programm. Nur wer geschickt seine Aktionen einsetzt (und versucht möglichst möglichst viele Aufgabenziele zu verbinden) wird am Ende als Sieger hervorgehen. Daher sollte man es tunlichst vermeiden, einem Mitspieler einen größeren Vorsprung zu geben, denn diesen aufzuholen wird schwierig, denn der vermeintliche Glücksfaktor "Würfel" entpuppt sich als "recht planbar". Dies liegt einerseits daran, dass man die gewürfelte Farbe mit Gunstplättchen umfärben und andererseits selbst unpassende Würfel in Orakelkarten bzw. die wichtigen Gunstplättchen eintauschen kann.

Die Kunst bei "Das Orakel von Delphi" besteht darin, zur richtigen Zeit, die richtigen Aktionen durchzuführen, denn alle Spielelemente (Schiffe, Begleiter, Schilde...) haben ihre Daseinsberechtigung und helfen den Spielern ungemein bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Insbesondere die mächtigen Götterfähigkeiten dürfen keinesfalls vernachlässigt werden.

Die Wartezeit der einzelnen Spieler bei den Aktionen der Mitspieler ist erfreulich gering. Dies liegt an der Tatsache, dass man bereits zum Ende des eigenen Zuges die Orakelwürfel neu würfelt und sich so gut auf den eigenen nächsten Zug vorbereiten kann. Außerdem erhält man auch beim Würfeln der Mitspieler Boni. Die gute Vorbereitung bedeutet andererseits aber auch, dass die Einflussnahme auf die Mitspieler eher gering ist - man kann zwar hier eine Ware wegschnappen und dort ein Monster früher besiegen, aber im Großen und Ganzen optimieren die Spieler vorranging ihre eigenen Spielzüge, als sich um die Gegner zu kümmern.

"Das Orakel von Delphi" bietet einen hohen Wiederspielwert, da es in allen gespielten Kombinationen recht ausgeglichen wirkt und sich durch den zufälligen Aufbau und Startsituationen der Spieler immer etwas unterschiedlich anfühlt (zumindest zu Spielbeginn). Der Preis von aktuell unter 35 Euro ist für das gebotene Spiel & Spielmaterial definitiv gerechtfertigt.

Kritikpunkte sind in meinen Augen lediglich der immer gleiche Ablauf der Spielrunden. Von Anfang bis Ende spielt es sich gleich, ohne große Abwechslung, was bei einer Spielzeit von (je nach Spielerzahl) bis zu 2 Stunden den Reiz des Spiels leicht mindert. Auch die Tatsache, dass größere Vorsprünge eines Spielers nur sehr selten aufgeholt werden konnten, kann leicht frustrierend sein, auch wenn wir diese Tatsache nicht oft erlebt haben. Weiterhin ist die Aufbauzeit und die Einstiegshürde für neue Spieler eher hoch - dies ist nicht zwingend ein Kritikpunkt, aber eine Tatsache, der man sich bewusst sein sollte.

"Das Orakel von Delphi" ist ein schönes und gut durchdachtes Wettlaufspiel für erfahrenere Spieler mit recht langer Spieldauer, das allerdings meinen persönlichen "Spiele-Olymp" nicht ganz erreicht hat, da es mir für ein sogenanntes Kenner- oder Expertenspiel trotz vielfältiger Mechanismen für die Spieldauer nicht abwechslungsreich genug ist und für ein Familienspiel eine zu hohe Einstiegshürde besitzt. Nichtsdestotrotz ist es ein gelungenes Optimierungs-Spiel und mir haben die "Wettkämpfe" um die Gunst von Zeus gut gefallen, weswegen ich das Spiel jederzeit wieder auf den Tisch bringen würde.

05. Juli 2017 - (Thorsten Pohl)

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