Rezension von Mea Culpa


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Zoch-Verlag bereitgestellt wurde.)

Rezension

Mea Culpa
"Confiteor ... quia peccavi nimis cogitatione, verbo, opere et omissione: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa ..."
Diese Worte aus dem Schuldbekenntnis der Katholischen Kirche wird man vermutlich nicht oft in einem Gesellschaftsspiel finden, doch "Mea Culpa" (lat. "Meine Schuld") von Klaus Zoch & Rüdiger Kopf, das im Zoch-Verlag erschienen ist, macht genau diese "Schuld" zum Thema eines Brettspiels mit Biet-Mechanismus. Keiner ist ohne Schuld, und so bewegen sich die Spieler auf der Punkteleiste immer zwischen Himmel & Hölle. Die Spieler verkörpern pro Runde je einen von 4 Charakteren (Papst, Kaiser, Händler & der kleine Sünder) und versuchen durch das Ausführen von Aktionen möglichst viele Ablassbriefe zu erhalten, um bei Spielende dem Himmel möglichst nahe zu sein.

Spielablauf
Aufgrund der Regelmenge wird hier nur ein genereller Überblick über die Regeln gegeben.

Jeder Spieler erhält einen Sichtschirm, ein Kerbholz, 7 Sündensteine, eine arme Seele & eine Schatulle in seiner Farbe, sowie 25 Münzen. Die Freudenhauskarten werden gemischt, die Bautrupps, der Papstwürfel und die Papststeine platziert. Vor dem Spiel kann sich jeder Spieler einen "kleinen Vorteil" (Waren, Münzen, Ablassbrief) aussuchen, der bis auf den Ablassbrief direkt "gespendet" werden muss.

Jede Spielrunde besteht aus den folgenden 4 Phasen.

In der Vorbereitungsphase wird der Markt mit 7 Waren bestückt, die Charakterkarten bereit gelegt & das Freudenhaus mit neuen Karten versorgt.

Bei der Charakterwahl bieten die Spieler versteckt auf die 4 Charaktere Papst, Kaiser, Händler & kleiner Sünder. Dazu stellen sie auf ihrem Kerbholz einen Wert ein und können zusätzlich Münzen hinzufügen. Nun sucht sich jeder Spieler - in absteigender Reihenfolge der gebotenen Summen - einen Charakter aus und zahlt den gebotenen Münzwert in die Kasse (außer dem Spieler mit dem höchsten Kerbholzwert). Jeder Charakter (außer dem Händler) hat eine zusätzliches "Vorspiel", das nun ausgeführt wird (der Papst versetzt einen Papststein, der Kaiser setzt einen Bautrupp auf eine Baustelle und der kleine Sünder darf sofort ins Freudenhaus, muss dafür aber 2 Sündensteine in den "Kleine Sünden"-Sündenpfuhl werfen).

In der Aktionsphase führen die Spieler in der Reihenfolge der Charaktere Aktionen aus, bis die letzte Ware von den Marktständen genommen wurde.

Zuletzt werden die Kerbhölzer verglichen. Der Spieler mit dem höchsten Kerbholzwert bewegt seinen kleinen Sünder in Richtung Hölle.

Folgende Aktionen können die Spieler während der Aktionsphase ausführen:
  • Ware oder Ablassbrief aus dem Mark kaufen. Der Händler erhält am Ende seines Zuges kostenlos eine Ware.
  • Ware in die Bank verkaufen
  • 1 Ware oder Münze versteckt in eines der beiden Spendenfächer legen. Der Kaiser darf 2 Dinge spenden
  • Das Freudenhaus besuchen. Hiermit kann einer der ausliegenden Karten oder der gelbe Ablassbrief erworben werden - dafür wird das Kerbholz hochgedreht (außer beim Kleinen Sünder). Der Papst geht immer inkognito ins Freudenhaus ("auf Reisen"). Die anderen Spieler müssen erraten, in welchem Raum sich der Papst befindet. Im Erfolgsfall geht der Spieler 1 Feld Richtung Hölle - ansonsten kann der Papst-Spieler die Aktion kostenlos ausführen.

Liegen alle 3 Papststeine bei einem Sündenpfuhl, werden die anderen beiden Sündenpfuhle "gesühnt". Alle Spieler außer dem Papst rücken 1 Feld für jeden Sündenstein in Richtung Hölle.

Befinden sich zwei Bautrupps auf einer Baustelle, wird ein (von zwei) Domteilen auf die Baustelle gestellt. Ist ein Dom fertig gebaut, findet eine Spendenwertung statt. Ist der zweite Dom fertig gestellt, folgt die 2. Spendenwertung und anschließend das Spielende.

Bei einer Spendenwertung wird Fach 1 bzw. 2 der Schatulle ausgewertet. Es gibt 3 Wertungen (Brot + Wein; Tuch + Diamant; Münzen) - die beiden Spieler mit den meisten Spenden erhalten die abgebildeten Ablassbriefe.

Am Spielende bewegt jeder Spieler seinen armen Sünder für jedes 4er-Set aus verschiedenfarbigen Ablassbriefen um 8 Felder Richtung Himmel. Für jeden einzelnen Ablassbrief um ein weiteres Feld. Es gewinnt der Spieler, der dem Himmel am nächsten ist.

Fazit
Zunächst einmal erhält "Mea Culpa" von mir den "Themen-Innovationspreis" - noch nie habe ich ein Spiel gespielt, das ein solch kirchliches Thema wie die "Sünde" zum Hauptinhalt eines Gesellschaftsspieles macht. Man glaubt gar nicht wie erfrischend es sein kann, einmal nicht in einen Dungeon hinabzusteigen, keinen Weltraum zu bevölkern oder ein Fantasyreich zu bereisen. Tatsächlich wirkt das Thema bei "Mea Culpa" auch nicht aufgesetzt sondern ist tatsächlich integraler Bestandteil des Spiels. Dafür gibt es ganz klar einen "Daumen hoch" - schon allein für den Mut, ein solches Thema anzugehen, da es vermutlich den einen oder anderen Spieler auch abschrecken könnte, ein "kirchliches" Spiel zu spielen.

Einen zweiten Pluspunkt sammelt das Spiel durch das Spielmaterial, das wie bei Zoch gewohnt, im oberen Qualitätsbereich angesiedelt ist. Stabile Papp-Elemente, Spielmaterial aus Holz & tolle Illustrationen von Franz Vohwinkel. Lediglich die dünnen Sichtschirme wirken etwas deplatziert. Weiter sei angemerkt, dass man von der ersten Partie eine ganze Menge zum basteln hat (Schatullen & Kernhölzer).

Neben dem Thema bietet das Spiel eine weitere Besonderheit: die Komplexität. Der Zoch-Verlag ist eigentlich bekannt für "leichte Kost", d.h. eher einfach gehaltene Spiele für Kinder bzw. Familien. Spiele, die erst ab 10 Jahren (wie z.B. Tobago) oder gar ab 14 Jahren (wie Mea Culpa) spielbar sind, bilden definitiv die Ausnahme im Sortiment des Verlags.

Nun zum eigentlichen Spiel: Den Kern einer Partie bildet der Biet-Mechanismus zur Bestimmung, wer für diese Runde welchen der 4 Charaktere (mit den entsprechenden Fähigkeiten) verkörpern darf. Alle 4 Charaktere bieten sehr unterschiedliche Aktionen: Der Papst manipuliert die Sündenpfuhle und darf "inkognito" ins Freudenhaus, der Kaiser befehligt den Bau der Kathedralen und darf zwei Mal spenden, der Händler erhält eine kostenlose Ware und der kleine Sünder darf ins Freudenhaus, ohne neue Kerben auf sein Kerbholz zu bekommen. All diese Aktionen (und noch mehr) sind durch Piktogramme auch im Sichtschirm abgebildet um so (gerade bei den ersten Partien) die Einstiegshürde des Regel-merkens möglichst gering zu halten. Leider sind für diesen Zweck die Sichtschirme zu klein, so dass man, um Verrenkungen zu vermeiden, eher die Anleitung konsultiert hat.

Mea Culpa bietet neben diesem Bietmechanismus noch andere Spielmechaniken: die Waren müssen geschickt ge- & verkauft werden, um die eigenen Finanzen zu vergrößern. Dabei darf man das Spenden keinesfalls vergessen, denn nur darüber erhalten 2 (der maximal 4) Spieler die begehrten blauen Ablassbriefe, die für eine große Schrittfolge am Spielende in Richtung Himmel unabdingbar sind. Auch die gelben Ablassbriefe sind sehr selten, denn man kann sie nur im Freudenhaus erhalten (abgesehen von einer der Aktionskarten). Gerade bei 4 Spielern ist diese Knappheit der gelben & blauen Briefe sehr zu beachten.

Die Aktionen im Freudenhaus bieten die vielfältigsten Möglichkeiten zur Beeinflussung des Spiels - einige der Karten (z.B. "alle anderen 5 Schritte Richtung Hölle) sind allerdings sehr mächtig, so dass sich hin und wieder alle Spieler auf die gleichen Karten stürzen (z.B. den kleinen Sünder, um günstig & schnell an Karten zu kommen). Die thematische Umsetzung des Freudenhauses ist allerdings grandios - ich sage nur "der Papst geht auf Reisen"...

Ein weiterer strategischer Aspekt, den man nicht vergessen sollte, ist die Position auf der Punkteleiste. Bei Gleichstand gewinnt der Spieler den Gleichstand, der näher an der Hölle steht - gerade kurz vor den Hauptwertungen kann es also durchaus sinnvoll sein, ein paar Kerben mehr auf sein Kerbholz zu laden...

Diese Verzahnung der Spielmechaniken zeigt sich auch am Kerbholz, das an sich eine wirklich tolle Idee darstellt. Dreht man es am Anfang einer Runde zu hoch, hat man weniger Möglichkeiten im Freudenhaus und riskiert Strafen bei der Runden-Abrechnung. Andererseits kann man auch den "kleinen Sünder" wählen und so den Nachteil im Freudenhaus wieder ausgleichen. Blöd nur, wenn ein anderer Spieler Anfangs mehr bietet, sich den kleinen Sünder schnappt und somit die eigene Runde nahezu nutzlos wird.

Dies alles zeigt es bereits: Es gibt bei Mea Culpa extrem viel zu beachten. Leider gibt es auch an fast allen Stellen Ausnahmen und Sonderregeln, was die Einstiegshürde nochmal deutlich erhöht. Für viele Gelegenheitsspieler dürfte die Regelmenge zu viel sein, obwohl das Spiel eigentlich nicht sehr kompliziert ist - nach einigen Runden hat man den Grundablauf des Spiels verstanden und es spielt sich deutlich flüssiger. Die Tatsache, dass bei Mea Culpa alle Elemente mit allen anderen zusammen hängen (z. B. braucht man Geld sowohl zum Waren kaufen, als auch zum bieten, sowie zum Spenden), die Glückselemente (aufgedeckte Aktionskarten & Waren), die "Erinnerungs-Thematik" ("Wer hat welche Waren, wie viel Geld bzw. welche Ablassbriefe"), sowie die "Rate"-Stunden ("Wer könnte welchen Wert auf seinem Kerbholz einstellen? Wie viel Geld bieten die Mietspieler? Wo "versteckt" sich der Papst im Freudenhaus) führt dazu, dass der Spielfluss immer etwas gehemmt wirkt, da man ständig umdenken muss.

Insgesamt ist Mea Culpa für die richtigen Spielrunden (möglichst wenig Grübler) ein gutes Spiel mit witzigem & selbstironischen Thema, dass allerdings einiges an Einarbeitungszeit erfordert. Gerade bei 4 Spielern existieren vielen Unwägbarkeiten, die eine klassische Planung fast unmöglich machen. Für die erste Partie sollte man 2 Stunden einplanen - danach schafft man eine Runde auch etwas zügiger. Der Preis von aktuell ca. 35 Euro ist für das gebotene Spielmaterial fair.

Mein Fazit: Ein paar kleine Sünden im Spielgeschehen-Südenpfuhl sowie die Verzahnung zu vieler unterschiedlicher Spielmechaniken verhindern, dass "Mea Culpa" meinen Spiele-Himmel erreicht. Trotzdem ist es weit entfernt von der Spiele-Hölle, so dass man "Mea Culpa" jeder (etwas erfahreneren) Spielergruppe ans Herz legen kann, die einmal ein "etwas anderes" Spiel erleben will, da es sich durchaus erfrischend von der alltäglichen Spielekost abhebt.

10. Mai 2017 - (Thorsten Pohl)

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