Rezension von Vor dem Wind


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Phalanx Games bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Das erste, was mir beim Ansehen der Verpackung von "Vor dem Wind" auffällt ist das sehr schön und stimmungsvolle Cover, dass im Stil alter Seemannskarten bzw. Gemälde vermutlich die Fassade einer Hansestadt zeigt (mein Tipp: Der hintere Kirchturm sieht aus wie die Marienkirche in Danzig). Diese sehr stimmungsvolle Darstellung setzte sich bei den Spielmaterialien fort: die Anleitung ist im gleichen Stil gestaltet und auch die Karten stehen dem in nichts nach. Sämtliches Spielmaterial kann ordentlich in der Plastik-Einlage untergebracht werden - sehr schön. Die Anleitung liest sich flüssig, ist gut bebildert und bietet auch ohne das Spiel nebenbei zu spielen einen guten Überblick über die Spielmechanik.

Thema & Ziel des Spiels
Das Spiel "Vor dem Wind" ist, wie der Name schon andeutet, zur Zeit der Seefahrt und der Handelsschiffe angesiedelt, die, auf Ladung wartend, im Hafen liegen und schon für die nächste Reise auf Vordermann gebracht werden. Ziel der Spieler ist es, möglichst die Waren im Lager zu haben, die gerade auf die Schiffe verladen werden sollen. Doch Achtung: Ware kann verderben und die Mitspieler verfolgen das gleiche Ziel. Wer am Ende die meisten seiner Waren auf Schiffen untergebracht hat, und dadurch eine bestimmte Anzahl an Siegpunkten erreicht hat, gewinnt.

Spiel-Vorbereitungen
Jeder Spieler erhält neben einem Warenlager noch insgesammt 22 Gulden (auch das Geld wird ebenfalls durch Karten abgebildet). Der Rest des Geldes wird als Bank in Reichweite aller Spieler abgelegt. Die drei verschiedenen Aktionskarten (Lagerung, Einkauf und Verschiffen) werden getrennt voneinander gemischt und ebenfalls beiseite gelegt. Die Schiffskarten werden (nach den 2 Schiffsgrößen sortiert) ebenfalls gemischt und je nach Spielerzahl werden von diesen beiden Stapeln zu Spielbeginn in anderer Zusammensetzung Karten gezogen und aufgedeckt auf dem Spielfeld platziert. Diese Karten stellen die Schiffe im Hafen dar. Die 4 Warentypen (Äpfel, Käse, Gewürze und Seide) werden getrennt aber offen bereitgelegt. Nun kann das Spiel losgehen.

Spielablauf
Das Spiel läuft in mehreren Durchgängen ab (die Anzahl hängt davon ab, wann der Sieger feststeht), die wiederum in mehrere Phasen unterteilt sind - grob gesagt, endet ein Durchgang, wenn die Hafen ankernden Schiffe diesen verlassen und neue Schiffe im Hafen anlegen. Nun deckt der aktive Spieler eine von der Spielerzahl abhängige Anzahl an Karten von den verdeckten 3 Aktionsstapeln (Lagerung, Einkauf und Verschiffen) in der Mitte auf. Dabei muss mindestens eine Karte von 2 Stapeln aufgedeckt werden aber auch maximal 2 Karten von einem Stapel.

Nach dem Aufdecken der Karten folgt der Handel mit den Karten:
  • Der aktive Spieler wählt eine der Karten aus und legt diese offen vor sich aus
  • Die nachfolgenden Spieler können nun entweder
    a) eine andere Karte auswählen und diese ebenfalls offen vor sich auslegen, oder
    b) sie wählen eine bereits von einem anderen Spieler gewählte Karte aus und machen dem Spieler ein Angebot


Im Fall b) bietet nun der Spieler dem Besitzer der Karte einen Guldenbetrag an, für den er die Karte kaufen möchte. Nun können alle anderen interessierten Spieler ebenfalls ein Angebot für diese Karte abgeben. Der Besitzer der Karte muss nun entweder die Karte an einen der interessierten Spieler für dessen Gebot verkaufen oder, falls er die Karte unbedingt behalten möchte, muss er an einer der interessierten Spieler dessen Gebot ausbezahlen. Spieler, die eine Karte bzw. Gulden vor sich liegen haben dürfen in dieser Phase keine weitere Aktionskarte ziehen oder am Handel teilnehmen.

Nun werden Reihum diese Aktionen durchgeführt:
  • Einkauf: Der Spieler erhält die abgebildeten Waren und nimmt sie verdeckt auf die Hand
  • Lagerung: Der Spieler kann die angegebene Anzahl an Waren von seiner Hand in seinem Lager ablegen, wenn er den Goldenbetrag bezahlen kann. Ansonsten verfällt diese Karte.
  • Verschiffen/Einkommen: Der Spieler muss sich entscheiden, ob er mit dieser Karte entweder den angegebenen Guldenbetrag als Einkommen erhalten, oder ein Schiff beladen will. Im ersten Fall nimmt er sich den angegebenen Betrag aus der Bank auf die Hand. Im zweiten Fall wählt er ein Schiff für das er alle geforderten Waren in seinem Lager hat, entfernt diese und erhält die Schiffskarte und damit die dort angegebenen Siegpunkte.
  • Sonderkarten können nun ausgeführt oder auf die Hand genommen werden (diese können später zusätzlich zu einer eigenen Aktion gespielt werden). Sonderkarten reichen von "2 beliebige Warenkarten von der Bank direkt ins Lager, über Schutz vor verderben bis hin zu Tauschaktionen.


Nun würde die nächste Phase mit dem Aufdecken der Karten beginnen. Befinden sich nun nur noch maximal 2 Schiffe im Hafen, endet aber zunächst der Durchgang. Diese Schiffe verlassen den Hafen. Alle Äpfelkarten müssen nun abgelegt werden (da sie verdorben sind); genauso wie alle Warenkarten, die ein Spieler auf der Hand hält. Weiterhin muss die Hälfte der Gewürz- plus Käsekarten abgegeben werden, die im Warenlager liegt. Danach erreichen je nach Anzahl der Spieler neue Schiffe den Hafen und der nächste Durchgang beginnt. Das Spiel endet, wenn eine bestimmte (je nach Spielerzahl verschiedene) Anzahl an Siegpunkten von einem Spieler erreicht wurde.

Fazit
Das Spielmaterial von "Vor dem Wind" habe ich ja bereits im Ersteindruck lobend erwähnt - möchte das Thema aber auch im Fazit noch einmal kurz aufgreifen. Hier ist Phalanx wirklich ein sehr schönes und stimmungsvolles Ambiente gelungen. Alle Spielmaterialien können fein säuberlich sortiert in der Spieleverpackung untergebracht werden. Die Regeln des Kartenspiels sind schnell erklärt und so kann man zügig mit dem Spielen anfangen. Einziger Punkt, der im Rahmen der Anleitung aufgefallen ist, ist die Abbildung der Karten, die im Lager liegen. In der Anleitung sieht es so aus, als könnten die 8 Karten (die maximal im Lager liegen können) alle vollständig auf der Lagerkarte untergebracht werden - dafür ist diese in Wirklichkeit aber viel zu klein. Diese Inkonsistenz ist wirklich nicht schlimm, fiel aber auf.

So, nun zum Spiel. Hier waren die Meinungen unserer Spielgruppe gespalten. Hauptkritikpunkte waren einerseits, dass es recht wenig Spielerinteraktion gebe bzw. Möglichkeiten andere Spieler zu beeinflussen, auf der anderen Seite, das der Spielablauf recht eintönig wirken würde. Auf diese Punkte komme ich gleich zurück, will aber an dieser Stelle sagen, dass mir "Vor dem Wind" wirklich viel Spaß gemacht hat, weswegen ich versuchen werde, diese beiden Kritikpunkte etwas zu entkräftigen.

Zuerst zum Thema Spielerinteraktion. Es gibt zwei Stellen im Spiel, an denen man meiner Meinung nach sehr gut, die Strategie der Gegner durchkreuzen kann: Beim Aufdecken neuer Aktionskarten sowie beim Bieten bzw. Auswählen der Karten. Man kann hier durchaus den einen oder anderen Spieler etwas aufhalten, indem man die Karten mit Bedacht wählt oder ggf. auch einmal auf eine Karte bietet, die man gar nicht benötigt. "Vor dem Wind" ist sicherlich nicht so Interaktiv wie z. B. das Siedler-Kartenspiel, ich empfand die Mischung aus Interaktion und "auf sich selbst konzentrieren" auf jeden Fall als gelungen - das Spiel ist eben ein Wettlauf gegen die Gegner und die auslaufenden Schiffe.

Zweiter Kritikpunkt war die angebliche Eintönigkeit. Einen Kritikpunkt, den ich nachvollziehen und auch ansatzweise teilen kann. Natürlich läuft jede Runde des Spiels ähnlich ab: Aufdecken, Bieten, Auswerten. Aber das macht für mich auch den Reiz des Spiels aus, da die Runden recht schnell gespielt sind und neue Spieler schnell dieses Spiel lernen können. Auf der anderen Seite, passiert aber auch nicht viel neues. Die 50. Runde läuft genauso ab, wie die Anfangsrunde. Wer also ein Spiel sucht, dass einen immer wieder durch Neues überrascht, wird hier vermutlich enttäuscht werden.

Einen Punkt, der mir auch aufgefallen ist, ist die Spieldauer. Sie ist mit 75 Minuten angegeben, und diese Zeit sollte man auch einplanen. Das Sammeln der für den Sieg erforderlichen Siegpunkt ist eine zähe (und das meine ich jetzt nicht nur negativ) Angelegenheit. Für Spielrunden, die nicht soviel Zeit haben, könnte es helfen, ggf. eine andere Siegbedingung einzuführen, z. B. "Belade zuerst 2 große und 3 kleine Schiffe". Das Spiel lässt hier durchaus Raum für Anpassungen.

Der Glücksfaktor in diesem Spiel ist vorhanden (Karten ziehen, Welche Waren werden benötigt), dominiert in meinen Augen aber keinesfalls das Spielgeschehen. Stattdessen muss man sehr genau planen, was man macht. Vor allem seinen Kontostand sollte man nicht aus den Augen verlieren, denn leere Kassen machen einen in diesem Spiel recht schnell nahezu handlungsunfähig, da man weder Waren einlagern, noch auf Karten bieten, bzw. diese gegen fremde Gebote verteidigen kann. Dies bringt mich zu einem anderen Punkt: Die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen ist wirklich enorm: Schon bei der Auswahl der Aktionskarten muss man sich genau überlegen, welche Karten man aufdeckt: Die Schiffskarten, weil man Geld braucht - allerdings erlaubt diese anderen Spielern auch das Verschiffen von Waren. Oder eine Warenkarte? Aber ohne die passende Lagerkarte helfen einem auch keine Waren auf der Hand. Ohne eine grobe Planung, läuft man hier sehr schnell den anderen Spielern in der Punktzahl hinterher.

Nun zum abschließenden Fazit: Mir persönlich hat das Spielen von "Vor dem Wind" definitiv Spaß gemacht. Es kann teilweise durch die sich immer wiederholenden Abläufe jeder Runde etwas eintönig wirken. Von daher sollte vermutlich jede Spielgruppe entscheiden, ob sie mit den oben angesprochenen Punkten leben kann, oder nicht. "Vor dem Wind" ist ein Spiel für zwischendurch, das aber nicht unbedingt schnell gespielt ist - eine Zwickmühle, die es gilt zu meistern. Genauso wie die Strategie in diesem Spiel einen immer wieder vor schwere Entscheidungen stellt. Daher ist "Vor dem Wind" ein Spiel, was man nicht nach dem ersten Spiel durchschaut hat.



01. September 2007 - (tp)

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