Rezension von The Rise of Queensdale


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Ravensburger bereitgestellt wurde.)

Rezension

The Rise of Queensdale
"The Rise of Queensdale" von Inka & Markus Brand ist ein kompetitives Legacy-Spiel, das im Ravensburger Verlag erschienen ist. "Legacy" (vom Verlag mit "evolutionär" übersetzt) bedeutet, dass das Spiel sich über mehrere (10+) Partien hin entwickelt, d.h. es kommen stetig neue Spielelemente und Regeln hinzu, die erst im Laufe des Spiel entdeckt werden. Weiterhin baut so jeder Spieler im Laufe der Kampagne sein eigenes Spielfeld auf. Ein weiteres Element der Legacy-Spiele ist, dass das Spiel nach Abschluss der Kampagne z.B. durch das Anbringen von Aufklebern nicht mehr neu angefangen werden kann.

Die Haupt-Story (obwohl sie sich im Laufe des Spiel natürlich weiter entwickelt) ist schnell erzählt und eher die übliche "Kost": ein König, seine Herzdame, viel Platz zum Bauen und der Wunsch ein tolles Schloss samt florierender umgebender Stadt zu erschaffen. Wer es schafft, durch seine Stadt den meisten Ruhm zu erlangen, gewinnt die Partie und letztendlich nach vielen Stunden Spielzeit die gesamte Kampagne.

Spielablauf
Aufgrund des Legacy-Elements des Spiels werde ich an dieser Stelle lediglich auf die Grundregeln (der ersten Partie) ohne Vor- & Nachbereitung eingehen.

Der Spielplan mit den 4 Spielhälften sowie Aktions- und Übersichtsplan werden aufgebaut. Jeder Charakter erhält seine Charaktertafel, Kundschafter, Aktionswürfel und sonstige Marker in seiner Farbe. Der Spielplan wird vorbereitet. Jeder Spieler hat ein Ruhmespunkte-Epochenziel, das erreicht werden muss und die Partie beendet.

Eine Partie besteht aus mehreren Runden. So Beginn einer Runde werfen alle Spieler ihre Aktionswürfel, die sie reihum (jeweils 1 Würfel pro Spieler) einsetzen können, bis keine Aktionen mehr übrig sind. Dann beginnt die nächste Runde.

Die Würfelergebnisse sind im Einzelnen (zu Beginn der Kampagne):
  • Rohstoffe erhalten: Für gewürfelte Rohstoffe (Holz, Stein, Gulden, Lehm) erhalten die Spieler diese entsprechend.
  • Aktionsfelder: Für gewürfelte "A"s können Aktionsfelder besetzt werden, was einen Großteil des Spiels ausmacht.

Die Aktionsfelder sind im Einzelnen (zu Beginn der Kampagne):
  • Tagelohn: Der Spieler erhält 1 Gulden
  • Kundschafter bewegen: Der Spieler bewegt seinen Kundschafter auf dem Spielplan um 1 oder 2 Felder. Überschrittene Kräuterplättchen, für die eine passende Kräuterhütte gebaut ist, bringen dem Spieler die entsprechenden Kräuter sowie einen Bonus (z.B. Ruhmespunkt, Brot, Rohstoff, Stimmungsbonus) auf der Rückseite der Plättchen) ein.
  • Kräuterhütte: Für 3 Holz kann eine Kräuterhütte gebaut werden.
  • Wochenmarkt: Für 2 Gulden erhält man 2 Rohstoffe
  • Backstube: Der Spieler erhält 1 Brot
  • Armenspeisung: Für 1 Brot erhält man 1 Stimmungspunkt.
  • Bauaktion: Für eine gewisse Anzahl an Rohstoffen, kann ein Gebäude gebaut werden. Gebäude bringen im Spiel viele verschiedene Vorteile (z.B. zusätzliche Rohstoffe oder die Möglichkeit Rohstoffe o.ä. für folgende Partien aufzuheben)
  • Gefolgsleute: Für 1 Gulden & 1 Brot zieht man einen Personen-Meeple aus dem Beutel. Je nach Farbe, bringt dies unterschiedliche Vorteile (z.B. günstigere Baukosten oder neue Story-Elemente)

Ein weiteres wichtiges Element ist die Stimmungsleiste. Durch Verbesserung der Stimmung können die Spieler neue Rohstoffe oder Ruhmespunkte erhalten.

Erreicht ein Spieler sein Epochenziel, endet das Spiel am Ende der laufenden Runde. Zwischen den Partien kommen nun neue Regeln ins Spiel, die die nächste Partie verändern. Alle Spieler, die ihr Epochenziel erreicht haben, müssen in der folgenden Partie ein höheres Ziel erreichen.

Fazit
Hinweis: Dieses Fazit enthält kleinere Spoiler aus den ersten 2-3 Partien der Kampagne.

"The Rise of Queensdale" ist in zweierlei Hinsicht beachtlich: Es ist das erste "große" Legacy-Spiel deutschsprachiger Autoren und es handelt sich nicht um ein kooperatives sondern um ein kompetitives Spiel, was in dem Genre der Legacy-Spiele eher die Ausnahme ist. Zum ersten Punkt muss ich Inka & Markus Brand wirklich beglückwünschen ... was die beiden hinsichtlich Umfang und Ideen in die Packung gesteckt haben, ist wirklich toll und verdient Respekt.

Was den kompetitiven Aspekt des Spiels betrifft bin ich etwas zwiegespalten, was daran liegt, dass man die Anzahl der Mitspieler während der Kampagnen nicht mehr verändern kann, d.h. wer mit 2 Spielern anfängt, muss die Kampagne mit 2 Spielern beenden. Das führt dazu, dass manches Spielmaterial unbenutzt in der Packung liegen bleibt. Ich habe auch spontan keine Idee, wie man unterschiedliche Spielerzahlen bei dieser Art Spiel sinnvoll realisieren kann, aber ich finde es schade für das ganze produzierte Material.

Wo wir über das Material sprechen. Hier ist Ravensburger (wie üblich) eine gute Qualität gelungen. Viele Holz-Meeples, einen Stoffbeutel, große Karten, ordentliche Papp-Marker und nette Illustrationen von Michael Menzel, die allerdings nicht immer so ganz meinen Geschmack treffen ... sowie einen königlichen Pömpel, mit dem man die Spielplanteile herausnehmen kann. Die Idee ist wirklich grandios, auch wenn ich sie nachträglich für nicht ganz gelungen halte. Diese zweilagige Spielbrett mit herausnehmbaren Hexfeldern führt dazu, dass man das Spiel (ohne es mit den Stanzrahmen & Gummiring zu fixieren) nur waagerecht transportieren und lagern kann. Vergisst man dies auch nur einmal, kann es passieren, dass die Spielbretter sich in der Packung verteilen und man raten muss, wie sie vorher ausgesehen haben. So lustig die Idee mit dem Pömpel ist, im Nachhinein hätte ich Aufkleber besser gefunden.

Apropos Aufkleber. "Produktionsbedingt können die Aufkleber nicht in numerischer Reihenfolge gedruckt werden". So oder so ähnlich steht es auf dem "Aufkleber-Übersichtsbogen", auf dem man nachlesen muss, auf welchen Aufkleberbogen sich der gesuchte Aufkleber befindet. Klingt kompliziert, ist es auch. Und total unnötig. Und führt zu einer weiteren Unschönheit des Spiels. Sämtliches Spielmaterial, dass im Laufe des Spiels "freigespielt" wird, befindet sich ohne weiteren Schutz in der Packung. D.h. es lässt sich nicht vermeiden beim "Aufkleber-Suchspiel" zukünftige Inhalte zu entdecken oder weitere Stanzbögen umzudrehen. Warum keine Boxen, die man aufmachen muss? Warum keine "Adventskalender"-Aufkleberbögen wie in Pandemie? Gerade dieses "Öffnen", "Aufrubbeln", "Entdecken" macht für mich einen Teil des Spaßes von Legacy-Spielen auf. Weiterhin verkompliziert die Tatsache, dass sämtliches Spielmaterial direkt in der Schachtel liegt, den Einstieg in das Spiel, der an manchen Stellen etwas holprig ist und für den man vor der ersten Partie mindestens eine Stunden einplanen sollte. Auch benötigt das Spiel einen relativ großen Tisch zum Spielen.

Doch nun zum eigentlichen Spiel, das grundsätzlich wirklich gelungen ist und Spaß macht. Die Regelmenge ist in den erste Partien sehr überschaubar, steigert sich aber von Spiel zu Spiel. Gerade das erste Spiel ist schneller vorbei als man denkt. Die Mechanik der Würfelaktionen gefällt mir gut und lässt einen zügigen Spielablauf zu. Die Aktionen sind logisch aufgebaut und durch gute Icons abgebildet. Auch die erzählte Geschichte mit all ihren Facetten ist nett, birgt einige Überraschungen (z.B. Verwandte, die zu Besuch kommen), dient aber eher als Beiwerk. Ein deutliches Glückselement ist durch das Würfel der Aktionen natürlich gegeben und ist nicht außer Acht zu lassen.

Die Balance der Kampagne ist im großen und ganzen in Ordnung. Dadurch dass die Spieler, die ihr Ziel nicht schaffen, Siegel bekommen, mit denen sie ihre Würfel aufwerten können, wird eine gewisse Balance gehalten. Allerdings erhalten die Gewinner im Gegenzug die (für sie) besten Turmteile, was diesen Nachteil wieder verwässert und in unserer Kampagne doch für eine gewisse Führung eines Spielers sorgte. Dies könnte zu Kampagnen führen, in denen die hinten liegenden Spieler nicht mehr aufholen werden. Im Laufe des Spiels wird den Spielern (und je nach Spielablauf insbesondere dem Führenden) zusätzlich noch der eine oder andere Stein in den Weg geworfen, was einzelne Spieler ebenfalls deutlich benachteiligen kann bzw. wird.

Die zu entdeckenden neuen Spielelemente sind wirklich vielfältig. Da gibt es Hütchenspieler, Brückenzölle, Hunde & Verwandte ... und noch viel mehr und viel weitreichendere Neuerungen, die an dieser Stelle aber unerwähnt bleiben sollen. Durch die stetig zunehmende Regelmenge wird das Spiel nach und nach deutlich komplexer und die ein oder andere Entscheidung hinsichtlich persönlicher Ausrichtung & Spielweise kann sich - leider - als nicht nachhaltig erweisen.

Ein letztes Wort zum "Legacy"-Element, dass bei mir immer etwas für Bauchschmerzen sorgt: Spielmaterial, dass nie zum Einsatz kommt sowie ein Spiel, dass man nachher (vermutlich) nie mehr spielen kann & wird. Ich finde es einfach schade wenn ein Spiel, das nicht gerade billig ist, später im Schrank liegt, und man es danach nicht mehr (vernünftig) spielen oder weitergeben kann. Diese Art "Wegwerf"-Spiel behagt mir persönlich nicht so sehr - daher finde ich Spiel mit Legacy-Elementen, die das Spiel nicht unbrauchbar machen (wie z.B. Gloomhaven) deutlich charmanter. Aber das ist ein persönliches & generelles Problem und nicht spezifisch für "The Rise of Queensdale".

Mein abschließendes Fazit lautet, dass "The Rise of Queensdale" ein ordentliches (wenn auch nicht ganz perfekt ausbalanciertes) Jeder-Gegen-Jeden-Legacy Spiel ist, das trotz relativ leichtem Einstieg eher für fortgeschrittene Spieler geeignet ist. Für mich persönlich gab es noch ein paar fragwürdige Produktionsentscheidungen hinsichtlich Aufklebern & Einführung von neuem Spielmaterial. Weiterhin gab es zu wenig extrem überraschende Neuerungen und ein paar gefühlt unfaire Rückschläge im Spielverlauf, so dass es letztendlich "nur" für immer noch gute 4.5 von 6 Sternen von meiner Seite her reicht.

20. Juli 2018 - (Thorsten Pohl)

Rezensionsbilder