Rezension von Coimbra


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Coimbra
Wir befinden uns in der alten Universitätsstadt Coimbra, die auf halben Wege zwischen Porto und Lissabon liegt. Hier heuern wir Gelehrte, Ratsmitglieder, Kaufleute und Geistliche an, die uns dabei helfen, Expeditionen auszurüsten, Portugal zu bereisen sowie finanzielles Einkommen und Wissen anzuhäufen.

Spielablauf
Wir durchlaufen vier Spielrunden, in denen wir mit Würfeln um Personen bieten, die uns durch verschiedene Eigenschaften und individuellen Fähigkeiten helfen. In jeder der vier Runden werden vier Reihen mit je vier Personen ausgelegt. Wir starten mit einem Personenpärchen, welches uns eventuell schon einmal eine Strategierichtung vorgeben kann aber nicht muss. In jeder Runde würfeln wir mehrere farbige Spielwürfel. Reihum suchen wir uns einen noch verfügbaren Würfel aus und bieten mit ihm um die ausliegenden Personen.

Die höchste Würfelzahl, die in einer Reihe von Personenkarten geboten wurde, darf sich später als erster in dieser Reihe eine Person aussuchen, dann ist die Person mit der nächst niedrigen Würfelzahl an der Reihe und so weiter. Bieten wir auf die Personenreihen, so bedienen sich zuerst diejenigen, die die höchsten Würfelzahlen geboten haben. Es gibt aber noch eine Reihe mit weiteren Bonusaktionen. Hier sucht sich derjenige zuerst eine der vorhandenen Bonusaktionen aus, der die niedrigste Würfelzahl in dieser Reihe geboten hat. Die Würfel stecken wir dazu in einen Plastikuntersatz, so dass wir später noch wissen, wer welche Würfel geboten hat. Warum nehmen wir dann nicht immer den höchsten Würfel? Die Würfel bestimmen gleichzeitig wie viel uns das Gebot auf die Personenkarten kostet. Je nachdem ob ein Wappen oder ein Geldstück auf der Personenkarte abgebildet ist, müssen wir in dieser Währung unser Gebot mit dem Würfel bezahlen. Viele hohe Würfelsummen können und wollen wir uns deshalb nicht leisten. Was bringen uns die Personen ein? Einerseits treiben die Personen unsere Marker auf vier verschiedenen Leisten in die Höhe, bei denen es um Siegpunkte, Wappen, Geldstücke oder Pilgerschritte auf einer Portugalkarte geht. Andererseits können sie uns einen Sofortbonus verschaffen oder Sonderpunkte für verschiedene erreichte Ziele am Spielende oder permanente Boni bei bestimmten Rundeneinkommen.

Insgesamt bieten wir dabei pro Runde mit drei Würfeln. Wurden alle Gebote ausgeführt und die neue Spielreihenfolge bestimmt, zahlt sich anschließend dann die Wahl der jeweiligen Würfelfarbe aus mit der wir zuvor geboten haben. Denn jede der vier Würfelfarben ist einer der von vier Leisten zugeordnet, mit der wir nun je nachdem, wie weit wir mittlerweile auf der Leiste vorrücken konnten, Wappen, Geldstücke, Siegpunkte oder Pilgerschritte auf einer Portugalkarte mit weiteren Boni laufen können, erhalten. Haben wir alle unsere Leisteneinkommen erhalten, so können wir im Anschluss jeder eine Expedition ausrüsten, die uns am Ende für bestimmte Ziele Siegpunkte einbringen. Das Ausrüsten von Expeditionen kostet uns aber nicht unwesentlich Wappen oder Geldstücke. Coimbra besitzt also viele kleine Stellschrauben an denen wir drehen können, um Boni, Einkommen, Pilgerschritte und vor allem Siegpunkte zu erhalten. Nach vier Runden wird der Sieger ermittelt.

Gesamteindruck
Gleich vorweg: Es gibt Spiele, die funktionieren sowohl zu zweit als auch zu viert hervorragend. Und dann gibt es aber auch Spiele, die funktionieren nur zu viert oder nur zu zweit sehr gut, in der jeweils anderen Konstellation sind sie zwar spielbar, aber aufgrund der Anzahl der Mitspielenden läuft nicht alles vollständig rund. Beides ist legitim und legitim ist es auch, das Spiel trotzdem mit der gesamten Breite der möglichen Mitspieleranzahl zu bewerben.

In meinen Spielerunden kam Coimbra nicht so recht an. Das hörte ich auch von Bekannten aus ihren Runden. In meinen Runden mit drei und vier Mitspielenden störte mich einerseits der hohe Grübelfaktor, der die Downtime zwischen den Runden zum Teil sehr lang werden ließ, andererseits dass es sich kaum berechnen ließ, auf welche Gehilfen es meine Mitspielenden abgesehen hatten ohne Minutenlang herumzugrübeln – bei drei weiteren Mitspielenden, die darüber hinaus auch noch ihren eigenen Zug punktgenau durchrechnen müssen, kann das recht lange werden.

Das Bieten um die Gehilfen ist in Coimbra das zentrale Element. Nur über diese Karten treiben wir unsere Einkommensleisten nach oben, erzielen Siegpunkte um weitere Boni oder bestimmen Siegpunktfaktoren für das Spielende. Wenn ich da kaum einschätzen kann, welche Personen die anderen benötigen und so das Bieten um die Gelehrten zu einem Glücksspiel wird, welches darüber hinaus noch mächtig Zeit kostet, dann gefällt es mir nicht. Ich versuchte Coimbra daher als Zwei- Personen-Spiel. Und siehe da, zu zweit macht es richtig Spaß! Denn zu zweit ist es in möglich eine Entscheidung auch zweimal zu durchdenken, ohne dass die Spieldauer völlig ausartet und so gleichzeitig auf einem angemessenen und angenehmen Level bleibt. Und: Bei zwei Personen fällt es deutlich leichter, einzuschätzen, auf welche Gehilfen meine Gegenspielerin aus ist. Damit wird die Bieterei mit den Würfeln zur Zockerei. Aber der kalkulierten Zockerei und nicht der unkalkulierten. Das Beste: Nach einer Partie kann man es gleich noch einmal versuchen, es noch besser zu machen, denn die Spielzeit ist deutlich geringer! Für mich ist Coimbra daher ganz klar ein Zweipersonenspiel, auch wenn es auch zu dritt oder viert funktioniert.

Besonders der Bietmechanimus mit den Würfeln ist bei Coimbra klasse. Hier müssen wir einerseits abwägen, wie wir mit der geringsten Würfelsumme dennoch unsere gewünschten Personen erwerben können, und andererseits mit der Würfelfarbe bestimmen, welche unserer vier Leisten gewertet werden soll. Das produziert herrliche Zwickmühlen, die wohl durchdacht sein sollten und die auch voraussetzen, dass wir halbwegs die Zwänge und Strategien unserer Mitspielenden einschätzen können, um daraus wiederum erkennen zu können wo sich ein Einsatz des Würfels lohnt und wo nicht. Setzen wir hier zu bedenkenlos, kann das schnell nach hinten losgehen: Dann ist die Gefahr groß, dass wir entweder gar keine Karte oder nur eine für uns wertlose Karte ergattern. Da wir im ganzen Spiel höchstens 12 Personenkarten über das Bieten erhalten können, ist da eine verlorene Karte sehr viel. Das Element der Siegel, die einige Personenkarten enthalten und die uns gut miteinander kombiniert am Spielende weitere Siegpunkte einbringen, hätte man ruhig weglassen können. Sie sind einfach etwas too much. Die anderen Auswahlkriterien sind sowieso viel wichtiger, so dass wir nicht dazu kommen, bei der Auswahl überhaupt auf die Siegel zu achten.

Coimbra wartet mit vielem auf, was auch schon andere Spiele besitzen, zudem ist das portugiesische Thema beim Spielen selbst kaum spürbar. Nicht auf dem Spielplan, nicht beim Ausrüsten der Expeditionen, nicht beim Anheuern der Gehilfen. Die Lust an der Optimierung und das Taktieren bei der Auswahl und dem Einsetzen der Würfel entschädigen dafür aber voll und ganz und machen Coimbra für mich zu einem der besten Spiele des Jahrgangs 2018/19, vorausgesetzt es bleibt bei zwei Spielern.

Noch ein paar Worte zum Artwork des Spiels: Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Über Design schon eher, aber da es sich bei der Design-Gestaltung von Brettspielen meist doch wieder um eine Geschmacksfrage handelt, meist dann doch wieder nicht. Ich empfinde das Artwork von Coimbra durchaus als sehr gelungen und ansprechend. Die leicht ins eckige gehende und ganz entfernt an den Game Boy oder C64 erinnernde Grafik auf dem Cover und auf dem Spielplan heben sich aus meiner Sicht gelungen von dem ganzen Design-Einheitsbrei anderer Brettspiele ab, die im Mittelalter angesiedelt sind.

Fazit
Coimbra ist eines der besten Spiele des Jahrgangs 2018/19, allerdings empfehle ich es nur als Zweipersonenspiel. In dieser Besetzung kann man in einer angemessenen Spieldauer taktieren und optimieren, mit mehr Mitspielenden wird es dagegen zu schwierig, die Strategien der Mitspielenden zu antizipieren und daraus Schlüsse für das zentrale Spielelement – das Bieten mit den Würfeln – zu ziehen.

17. Oktober 2019 - (Jan Drewitz)

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