Rezension von Gambit 7


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von KOSMOS bereitgestellt wurde.)

Rezension

Top & Flop
Das Spiel Wits & Wagers ist in Deutschland so gut wie unbekannt. Merkwürdig, denn es hat sich seit 2005 weltweit über eine Million mal verkauft. Days of Wonders brachte 2008 mit Gambit 7 schon einmal eine deutsche Bearbeitung heraus, die allerdings nicht sehr großes Aufsehen erregte und schnell verramscht wurde. Zu unrecht, wie ich damals fand, denn meiner Meinung nach ist Gambit 7 neben Schätzen Sie mal, Fauna oder Anno Domini eines der besten Schätzspiele überhaupt. Wissensspiele wie Trivial Pursuit oder Bezzerwizzer sehen neben solchen Perlen tatsächlich alt aus. Gambit 7 hatte nur ein einziges Problem, aber dazu später.

Thema und Ziel des Spieles
Es geht hier nicht ums Wissen, sondern ums Schätzen. Sieben Mal wird eine Frage nach einer Zahl vorgelesen, danach schätzen wir, anschließend tippen wir, wer recht hat. Auf unsere Tipps und die beste Schätzung erhalten wir Punkte. In der letzten Runde können mit unseren bis dahin erspielten Punkten noch Extrapunkte hinzugewinnen.

Spielablauf
Über sieben Runden wird immer eine Frage vorgelesen, deren Antwort eine Zahl ist. Eine Frage lautet beispielsweise: Wie viele Male blinzelt ein Mensch durchschnittlich pro Tag? Nun schreiben wir mit einem Filzstift unsere Schätzung auf eine abwischbare Tafel. Gleichzeitig werden alle Tafeln umgedreht und die geschätzten Zahlen in aufsteigender Reihenfolge auf dem Tisch geordnet. Nun kommt die Tipp-Runde. Alle tippen mit ihren Einser- und Zweier-Wettchips auf den richtigen Tipp. Der richtige Tipp ist derjenige, der entweder die richtige Zahl richtig nennt oder die nächst kleinere Zahl. Anschließend wird ausgewertet: Für den richtigen Tipp erhält der Besitzer einen Siegpunkt, für den richtigen Einsatz der Wett-Chips entweder einen oder zwei Siegpunkte. In der siebten Runde können zusätzlich auch die bisher erspielten Siegpunkte-Chips eingesetzt werden.

Achtung: Ich rate dringend dazu, nicht der offiziellen Regel zu folgen, sondern die unten aufgeführte Hausregel zu benutzen!

Gesamteindruck
Gambit 7 hatte damals ein kleines Problem. Es besaß neben zwei Wett-Chips noch einen Gambit 7- Chip. War man sehr sicher, das richtige Ergebnis zu wissen, so setzte man den Gambit 7-Chip ein. Lag man mit ihm richtig, so durfte man seine aktuelle Punkteanzahl mit dem Faktor sieben multiplizieren, lag man daneben, so verlor man alle bis dahin erspielten Punkte. Man ging also ein enormes Risiko ein, gleichzeitig war dies ein tolles Nervenkitzel-Element. Das Problematische war nur, dass in der letzten Runde meist alle, außer dem Führenden, ihren Gambit 7-Chip einsetzten, da dies meist die einzige Möglichkeit war, den Führenden noch einzuholen und es egal erschien, ob man nun Verlierer mit Punkten oder Verlierer ganz ohne Punkte war. Lag man aber richtig, so hatte man meist gewonnen. Wurde der bisher Führende so in der letzten Runde noch überholt, fühlte sich das meist sehr beliebig und glückabhängig an. In meinen Spielerunde gab es deshalb die Hausregel, dass in der letzten Runde der Gambit 7-Chip nicht eingesetzt werden durfte – was dann zum Teil einfach in der vorletzten Runde gemacht wurde. Trotz dieses Mechanik-Problems war Gambit 7 damals ein sehr gern gesehenes Spiel in meinen Spielerunden. Top & Flop besitzt keinen Gambit 7- Chip mehr und damit auch nicht das beschriebene Problem. Soweit so gut. Leider hat die Kosmos- Redaktion dafür ein paar andere Problemchen eingebaut.

Zum einen das Material: Es fehlt die Sanduhr. Diese hatte früher die Entscheidungsfreudigkeit beim Tippen deutlich gesteigert. Jetzt ist völlig unklar, wie lange man mit dem tippen warten kann – am Ende so lange, bis alle getippt haben? Dann die Fragekarten: Auf jeder Karte sind vier Fragen von A bis D formuliert, nach Thema und Schwierigkeit wird nicht unterschieden. Die Regel rät dazu, dass in einer Partie nur Fragen eines Buchstabens abgefragt werden, da auf einigen Karten Fragen zum selben Thema oder zur selben Maßeinheit gefragt werden. Was passiert nun bei sieben Fragerunden? Wir stellen immer Fragen der Kategorie A. Beim nächsten Spiel stellen wir immer Fragen der Kategorie B – klar, wir wollen ja nicht, dass jemand eine Frage schon kennt. Nur wie wir es auch anstellen, wir werden recht schnell nach einigen Partien den Überblick verloren haben, auf welcher Karte wir die Kategorie A, B, C oder D schon einmal hatten. Recht schnell kommen wir in die Situation, dass jemand die Frage aus einem vorherigen Spiel schon kennt. Man muss leider sagen: das hätte man besser machen können. Entweder man hätte einfach mal per Zufallsverfahren die Fragen gemischt, so dass man sie einfach immer von A bis D hätte vorlesen können oder man hätte es einfach wie bei Gambit 7 gemacht: Auf jede Karte sieben Fragen, das heißt eine Fragekarte pro Spiel. Am Ende des Spiels kann die Fragenkarte dann ganz einfach an das Stapelende gesteckt werden.

Nun zur Regel: Die Regel, dass man die bisher gewonnenen Siegpunkte nur in der letzten Runde einsetzen darf, führt quasi den Gambit 7-Chip wieder ein. Und das auch noch ausschließlich für die letzte Spielrunde. Letzte Spielrunde ... war da nicht noch etwas?

Dringend empfohlene Regeländerung: Auch wenn die folgende Hausregelvariante nicht die schon angesprochenen Materialmängel beheben kann, so kann sie jedoch das Regelproblem lösen und macht Top & Flop gleichzeitig zu einem der besten Schätzspiele überhaupt:

Jede/r erhält zu Beginn drei Siegpunktechips. In allen sieben Runden kann nun auch mit allen eigenen Siegpunktechips gewettet werden, wenn die Spielenden das Risiko eingehen möchten. Das Wetten bleibt somit nicht auf die letzte Runde beschränkt. Beim Wetten mit Siegpunktechips wird wie folgt verfahren: Die Belohnung für den richtigen Tipp und die Ausschüttung für die Einer- und Zweier-Wettchips erfolgt unabhängig von der Wertung der zusätzlich eingesetzten Siegpunktechips. Für den richtigen Tipp erhält der Tipper einen Siegpunkt, für die Einser-Wette erhält man einen Siegpunkt, für die Zweier-Wette erhält man zwei Siegpunkte. Anschließend werden die unter den Wettchips zusätzlich gewetteten Siegpunkte mit dem Wettchip multipliziert.

Beispiel: Judith hat den richtigen Tipp aufgeschrieben, ihren 2xWettchip auf diesem Tipp platziert und zusätzlich drei Siegpunkte unter dem Wettchip geschoben. Beatrix hat ihren 1xWettchip auf den richtigen Tipp platziert und zusätzlich fünf Siegpunkte dort eingesetzt. Judith erhält 1SP für den richtigen Tipp + 2SP für ihren Wettchip + 6SP (2 x 3 eingesetzte SP) = 9SP. Beatrix erhält 1SP für ihren Wettchip + 5SP (1 x 5 eingesetzte SP) = 6SP. Beide erhalten natürlich auch die richtig eingesetzten Siegpunktechips zurück.

Mit dieser Regel besitzt jede der sieben Runden das tolle Zockermoment mit den eingesetzten Siegpunktechips. Auch das beschriebene Problem in der letzten Runde existiert nicht mehr, da die Punkteabstände untereinander nicht so groß werden und man mit den nun vorhandenen Multiplikatoren nicht mehr in einer Runde soviel Punkte erzielen kann wie ein anderer über das ganze Spiel hinweg.

Fazit
Das muss man eindeutig differenziert sehen: Nach den offiziellen Regeln ist Top & Flop spielbar, aber besitzt in der letzten Runde eine echte Regelschwäche, die trotz des Spaßes in den vorherigen Runden einen faden Beigeschmack hinterlässt. Spielt man allerdings mit den oben genannten Hausregeln, so haben wir es hier mit einem der besten Schätzspiele überhaupt zu tun, dessen Anschaffung nur dringend empfohlen werden kann!

07. März 2016 - (Jan Drewitz)

Rezensionsbilder